Papst: UNO darf Menschenrechte nicht zur Disposition stellen

Im Namen der Freiheit

Mit einer großen Rede vor den Vereinten Nationen hat Papst Benedikt XVI. die Weltgemeinschaft auf die vollständige und ungeteilte Beachtung der universalen Menschenrechte eingeschworen. Diese Rechte seien Voraussetzung für die Schaffung von Gerechtigkeit und Frieden in der Welt; sie dürften nicht aufgeweicht oder irgendwelchen Eigeninteressen untergeordnet werden, forderte er am Freitag in einer Grundsatzrede vor der UNO-Vollversammlung am New Yorker East River.

 (DR)

Zugleich erteilte der Papst nationalen Alleingängen in der Weltpolitik eine Absage. Für die globalen Probleme sei die UNO die Ordnungsinstanz - und die Religionen ein wichtiger Partner im Dialog über die Zukunft der Menschheit.

Unter dem Applaus von mehr als 3.000 UN-Diplomaten betrat Benedikt XVI. an der Seite von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon den Plenarsaal. Der Besuch bei den Vereinten Nationen war Anlass und Höhepunkt seiner achten Auslandsreise und hatte als Anlass den 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Zunächst sprach er mit Ban in einer 20-minütige Tour d'horizon über die Weltlage. Ins Goldene Buch der UNO trug er sich mit einem Satz des Propheten Jesaja ein:
«Das Werk der Gerechtigkeit wird der Frieden». Und diesen Vers, der wie ein Motto über seinem Besuch stand, wiederholte er am Ende seiner einstündigen Rede in den sechs Hauptsprachen der UNO: auf Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Chinesisch und Russisch.

Zu den Verpflichtungen der Staatengemeinschaft gehöre die Solidarität mit den Armen und mit allen, die die negativen Auswirkungen der Globalisierung spürten, betonte der Papst. Dazu gehöre das Recht auf Selbstverteidigung, aber auch das Recht auf Intervention für Menschen und Völker, die sich selbst nicht wehren könnten. Weiter zählte Benedikt XVI. dazu die Religionsfreiheit, die den Gläubigen nicht nur freie Kultausübung, sondern auch gesellschaftliches Handeln erlauben müsse.

Mit Nachdruck forderte Benedikt XVI. einen «ethischen Imperativ» für medizinische und technische Forschung und verurteilte Angriffe auf Leben und Familie. Manche angeblichen Errungenschaften erwiesen sich als klare Gewalt gegen die Schöpfungsordnung, unterstrich er.

Anders als vermutet ging Benedikt XVI. in seiner mit Spannung erwarteten Rede weder auf Notsituationen oder Katastrophen noch auf einzelne Krisenherde der Welt von Tibet über den Irak bis zum Kosovo ein. Der «Professoren-Papst» nutzte seinen Besuch vor dem Weltforum, um in einer Vorlesung Grundlagen und Prinzipien für das friedliche Zusammenleben der Menschheit aufzuzeigen und Richtungen zu weisen: eine zeitlose Rede über die natürlichen Rechte des nach dem Ebenbild Gottes erschaffenen Menschen, die über den Tag hinaus ihre Aktualität behalten soll. Eine Ansprache auch, auf der man nach Erwartung des Vatikan künftig bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen internationaler Herausforderungen und Konflikte aufbauen könne.

Nachdrücklich betonte Benedikt XVI. die Verankerung der Menschenrechte im Naturrecht und in der Würde der Person als Geschöpf Gottes: «Die Menschenrechte aus diesem Kontext zu lösen hieße ihre Reichweite beschränken und einer relativistischen Konzeption nachgeben», so der Papst wörtlich.

Benedikt XVI. bekundete der UNO seine hohe Wertschätzung. Die Kirche betrachte die UNO als «privilegiertes Forum». Die Kirche wolle dort jene Erfahrungen in «Sachen des Menschen» einbringen, die sie im Laufe der Jahrhunderte als multikulturelle und multiethnische Organisation gesammelt habe. Der Papst verlangte mehr Gewicht für die UNO, die nicht vom Votum einzelner Staaten dominiert werden dürfe - ein unverkennbarer Seitenhieb auf die US-Außenpolitik.

Mit seiner Rede hat Benedikt XVI. der UNO die Kirche erneut als Gesprächspartner über prinzipielle und zeitlose Fragen der Menschheit empfohlen. Sein Besuch hat auch den Vatikan-Diplomaten Rückenstärkung gegeben, die als Ständige Beobachter in New York wie an den anderen Standorten der Organisation die Belange der Kirche einbringen. Zum Abschluss gab es für den sichtlich gerührten Papst noch ein besonderes Geschenk: Ein internationaler Kinderchor trug ein deutsches Lied vor: «Weißt du, wieviel Sternlein stehen?»

Begegnung mit UNO-Angestellten
Nach seiner Rede traf Benedikt XVI. auch mit dem Präsidenten der UN-Vollversammlung, Srgjan Kerim, zusammen. Eine weitere kurze Unterredung führte er mit der Präsidentschaft des Weltsicherheitsrates. Mit etwa 60 weiteren UNO-Funktionären und Mitarbeitern stellte sich das Kirchenoberhaupt zu einem Fototermin auf.

Anschließend richtete Benedikt XVI. ein Grußwort an die Angestellten. Dabei würdigte er den «unschätzbaren Beitrag» des Verwaltungspersonals, das in aller Welt und oft unter schwierigen Bedingungen arbeite. Besonders gedachte er der UN-Mitarbeiter und Blauhelm-Soldaten, die im Dienst ihr Leben ließen, 42 allein im vergangenen Jahr.

Der Papst sagte, der Sitz der Vereinten Nationen erinnere ihn an den Größenkontrast zwischen dem Vatikanstaat und der Welt, in der die Kirche ihre Mission ausübe. Das multinationale Personal des UN-Hauptsitzes stelle einen Mikrokosmos dar. Jeder Einzelne leiste darin mit seinem kulturellen und religiösen Hintergrund einen unverzichtbaren Beitrag. Allein im Sekretariat der Vereinten Nationen am East River arbeiten rund 4.900 Personen.

Besuch im Meditationsraum der UNO
Zum Abschluss des Besuchs begab sich der Papst zum Meditationsraum des UNO-Hauptquartiers. Zuvor segnete er im Foyer eine UN-Flagge, die der Erinnerung an im Einsatz ums Leben gekommene Mitarbeiter der Vereinten Nationen gewidmet ist. Der Raum der Stille war 1952 unter UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld (1905-1961) eingerichtet worden. Er ist dem Weltfrieden gewidmet und steht allen Glaubensrichtungen offen.

Um 13.20 Uhr (Ortszeit) verließ Benedikt XVI. den Hauptsitz der Vereinten Nationen und fuhr zur Residenz des Ständigen Beobachters des Heiligen Stuhls bei der UNO. Am Nachmittag besucht der Papst die Park-East-Synagoge. Dort ist ein Treffen mit dem Rabbiner und Holocaust-Überlebenden Arthur Schneier geplant. Anschließend fährt Benedikt XVI. in die deutschsprachige Sankt-Josephs-Kirche zu einem ökumenischen Treffen. Am Abend steht ein Essen mit den Kardinälen des Landes und Vertretern der US-Bischöfe auf dem Programm.

Benedikt XVI. bleibt bis Sonntag in New York. Zum Abschluss seines Aufenthalts besucht er Ground Zero, den Ort der Anschläge des 11. September 2001. Dort will er ein Gebet für die Opfer sprechen. Es ist die achte Auslandsreise des katholischen Kirchenoberhaupts.

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