Erste öffentliche Reaktionen auf den Papstbesuch

Protest und Jubel

Für diesen Tag hat er schwer geschuftet. Eine ganze Woche lang, elf bis zwölf Stunden täglich. Salvador Sanchez (28) blickt besorgt hinauf zum Washingtoner Himmel, aus dem ab und zu eine Windböe herunterfegt. Nichts macht dem jungen Migranten derzeit mehr Angst als der Wind, der vom modernen Dach des "John Paul II. Cultural Centers" herabschießt. Sanchez und seine rund 20 Freunde haben Papst Benedikt XVI. einen empfindlichen Willkommensgruß gebastelt.

Autor/in:
Adrienne Woltersdorf
 (DR)

Es ist ein 33 meter langer Bildteppich, mit farbenfrohen Bordüren und Grußbotschaften versehen. Der Teppich besteht aus nichts anderem als farbigen Sägespänen und Reiskörnern. In dem Zentrum, auf dessen Terrasse das Kunstwerk nun liegt, soll der Papst am Donnerstagabend mit Vertretern aller Weltreligionen zu einem interreligiösen Dialog zusammenkommen. Von seinem Platz aus wird er direkt auf den Grußteppich schauen können. Die Muster und die Farbenfreude haben die jungen Männer aus ihrer Heimat Guatemala mitgebracht. Dort ist es üblich, in der Karwoche Teppiche aus Samen, Kernen und Blumen zu legen.

Seit einigen Jahren schon leben und arbeiten die Latinos in Arlington, der Nachbarstadt Washingtons. Sein Geld verdient Sanchez als Bauarbeiter, andere aus der Gruppe arbeiten als Gärtner oder Kellner. In seinen Gebeten bittet der 28-Jährige stets darum, dass Benedikt und die katholische Kirche dafür sorgen, dass es in Zukunft den Migranten in den USA besser ergehen möge. «Viele von uns sind illegal hier und leiden unter der ständigen Angst, ausgewiesen zu werden», erzählt er.

Auch Lis Crnkovech, ihre Freundin Betty und beider insgesamt 13 Kinder wollen den Papst mit selbst hergestellten Willkommensplakaten begrüßen. Die Polizei hat ihnen verboten, vor der Nuntiatur des Vatikan stehen zu bleiben, also gehen die Frauen und Kinder auf dem Bürgersteig auf und ab.

«Wir wollen Benedikt dafür danken, dass er zu uns kommt, auch für seine Botschaft der Liebe und der Hoffnung», sagt Lis. Am Kinderwagen ihres zweijährigen Söhnchens hängt ein Plakat: «Ich heiße nach ihnen benannt» steht in holperigem Deutsch darauf. Zu Ehren des Papstes gab sie ihrem Sohn den Namen Thomas Benedikt. «Wir sind deutscher Abstammung», sagt Lis, «aber wir sprechen kein Deutsch mehr. Diese Sätze hat uns ein deutschstämmiger Bäcker aus unserer Nachbarschaft aufgeschrieben.» Mit ihren acht Kindern will sie in den kommenden zwei Tagen überall dort hinfahren, wo der große Benedikt auch sein wird.

Doch nicht überall wird der Papst so freundlich empfangen. Am Dienstagabend demonstrierten vor der Nuntiatur rund 80 Mitglieder einer internationalen Organisation, die sich «Die Regierung Gottes auf Erden» nennt, wütend gegen die USA-Visite. Die Demonstranten, die aus 30 zumeist lateinamerikanischen Ländern stammen, trugen weiße T-Shirts, bedruckt mit einem Verbotsschild, in dem das Wort «Zölibat» steht.

«Wir kritisieren den US-Präsidenten dafür, dass er einen Mann wie Benedikt in die USA einreisen lässt», sagt die Sprecherin der Gruppe, Alex Poessy. Die junge Latina verteilt Hochglanz-Infokärtchen, auf denen der Papst gemeinsam mit Osama Bin Laden abgebildet ist. Poessy gerät außer Atem, als sie in Stakkatosätzen die vermeintlichen Verbrechen des Vatikan im Allgemeinen und Joseph Ratzingers im Besonderen aufzählt. Eines der Verbrechen ist in ihren Augen der Zölibat. «Das ist gegen die Natur, und es macht das Fleisch noch hungriger wie bei einer Diät, verstehen Sie?», sagt Poessy. Immer wieder fällt sie in den Chor der Gruppe ein, die «Der Papst ist ein Mörder» ruft. Die Kirche, sind Poessy und ihre Mitstreiter überzeugt, schütze pädophile Priester und zwinge Opfer zum Schweigen.