Die Innenministerkonferenz befasst sich mit Irak-Flüchtlingen

Bald "christenfreie Zonen"?

"Die Lage der Christen im Irak ist hoffnungslos", meint Otmar Oehring nüchtern. Der Menschenrechtsexperte des katholischen Hilfswerks missio hält sich derzeit in Beirut auf, um sich unter anderem über die Lage irakischer Flüchtlinge zu informieren. Über 2,2 Millionen Iraker haben laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR seit 2003 aus Angst vor Verfolgung und Gewalt Zuflucht in Syrien, Jordanien, dem Iran, Ägypten und dem Libanon gesucht. Zudem gibt es 2,7 Millionen Binnenflüchtlinge.

Autor/in:
Christoph Scholz
Christen im Irak: Von jeher nur eine religiöse Minderheit, heute bedroht und verfolgt (DBK)
Christen im Irak: Von jeher nur eine religiöse Minderheit, heute bedroht und verfolgt / ( DBK )

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will an diesem Donnerstag bei seinen Länderkollegen auf der Frühjahrskonferenz der Innenminister im brandenburgischen Bad Saarow für eine großzügigere Aufnahme besonders verfolgter Christen werben. Am Freitag will er diese Frage mit seien EU-Kollegen beim Rat der Innen- und Justizminister in Luxemburg beraten.

Der Irak-Krieg könnte nach Meinung von Beobachtern das Ende der fast 2000-jährigen Präsenz der Christen in der Heimat Abrahams bedeuten. Vorläufiger Tiefpunkt der Gewalt war im März die Ermordung des chaldäisch-katholischen Erzbischofs von Mossul, Paulos Faraj Rahho. Dutzende von Priester und Ordensleuten wurden in den vergangenen Jahren entführt und ermordet, zahlreiche Kirchen durch Bombenanschlägen verwüstet.

Wie andere Insider berichtet auch Oehring über eine wachsende Zahl von Zwangsbekehrungen durch muslimische Fundamentalisten: Seitdem muslimische Al-Kaida-Milizionäre seit Frühjahr 2007 das überwiegend von Christen bewohnte Bagdader Viertel Dora kontrollieren, muss jede christliche Familie Schutzgeld zahlen. Wer nicht zahlen kann, muss ein Familienmitglied dem Islam übergeben. Sonst droht die Ermordung.

«So bleibt für viele nur die Flucht binnen 24 Stunden», berichtet der missio-Vertreter. Ziel der Fundamentalisten in Bagdad wie in anderen Städten seien «christenfreie Zonen».

Seit 2003 verließ etwa die Hälfte der 1,5 Millionen irakischen Christen ihre Heimat. Syrien und Jordanien sind mit mehr als zwei Millionen Schutzsuchenden hoffnungslos überfordert und versuchen nun durch schärfere Visa-Bestimmungen, den Flüchtlingsstrom einzudämmen.

Auch EU-Staaten nahmen bereits Irakflüchtlinge auf, allerdings ungleich weniger wie die Anrainerstaaten. In Deutschland leben nach Angaben des für die Chaldäer zuständigen Seelsorgers Peter Patto bisher etwa 10.000 Christen aus dem Irak.

Wie Vertreter der Kirchen in Deutschland begrüßt auch das UNHCR Schäubles Vorstoß. Die Christen gehörten wie die Angehörigen anderer religiöser oder ethnischer Minderheiten zu den besonders Schützbedürftigen, betont UNHCR-Sprecher Stefan Telöken.

Nach einer zurückhaltenden Bejahung der Schutzbedürftigkeit in Deutschland stieg die Zahl der Anerkennung irakischer Flüchtlinge von 2,2 Prozent im Jahr 2004 auf 74,5 Prozent im Jahr 2007. Ein Grund dafür: Auch deutsche Gerichte haben für Christen im Irak die Gruppenverfolgung anerkannt. Damit wird ihnen ein Asylstatus zuerkannt.

Schäuble will nun erreichen, dass Deutschland und die EU noch mehr verfolgten Christen eine «Heimstatt» bieten, «bis sie in ihre angestammte Heimat zurückkehren können». Aus den hierfür zuständigen Bundesländern gibt es bereits positive Signale. Bei den Gesprächen in Bad Saarow und Luxemburg wird es damit um die konkrete Frage gehen, wie viele Flüchtlinge man aufnehmen will. Für Deutschland ist eine deutlich vierstellige Zahl im Gespräch.