DOMRADIO.DE: Dass christliche Inhalte im Kino große Massen erreichen, ist eher selten. Umso überraschender war 2004 der Erfolg von "Die Passion Christi". Über 600 Millionen Dollar spielte der Film ein. Nun ist eine Fortsetzung geplant. Die Auferstehung Christi soll 2027 in zwei Teilen zu Ostern und Himmelfahrt in die Kinos kommen. Regisseur und Produzent Mel Gibson steht allerdings in der Kritik. Kann man mit biblischen Geschichten auch heute noch Leute mitreißen?
Uwe Reckzeh-Stein (Theologe und Podcaster der "Popcornpilger"): Ja. Ich musste beim Stichwort "geringe Publikumswirkung" direkt an unsere mitteleuropäische Sichtweise denken. In den USA sieht das ganz anders aus. Dort gibt es viele religiöse Filme, die auch kommerziell sehr erfolgreich sind, weil die Gesellschaft insgesamt religiöser geprägt ist.
Beispiele wären "Risen" von 2016 mit Joseph Fiennes oder "Son of God" von 2014. Diese Filme laufen hierzulande eher unter dem Radar, oft direkt im Streaming, obwohl sie hochwertig produziert sind. Insofern ist es nicht abwegig, dass jemand wie Gibson wieder so einen Stoff verfilmt.
DOMRADIO.DE: Die Darstellung vom Leiden Jesu wurde damals wegen ihrer Brutalität stark kritisiert. Ist das gerechtfertigt?
Reckzeh-Stein: Ja, natürlich. Inszenierungen darf und soll man kritisch hinterfragen. Gerade bei diesem Film wurde Gewalt sehr ausführlich dargestellt. Da ist Kritik angebracht. Ob es antisemitische Tendenzen gibt oder übertriebene Gewalt, das kann und darf man thematisieren, auch vor dem Hintergrund der Persönlichkeit Mel Gibsons.
Gleichzeitig ist es legitim, sich dabei eng am biblischen Text zu orientieren oder künstlerisch bestimmte Mittel zu wählen. Wichtig ist für mich: Anschauen, Diskutieren, Einordnen – wie bei jeder Kunstform.
DOMRADIO.DE: Sollte man dann lieber ganz auf seine Filme verzichten?
Reckzeh-Stein: Das ist die klassische Frage nach der Trennung von Werk und Urheber. Ich tendiere dort zu einem klaren Jein. Es hilft, sich mit dem Menschen hinter dem Werk auseinanderzusetzen. Das beeinflusst die Deutung. Aber genauso kann man sagen, dass man sich auf das Werk selbst einlässt, auf die Wirkung, die es auf einen hat.
Letztlich ist das Werk größer als sein Urheber. Jeder Mensch bringt beim Betrachten seine eigene Geschichte, seine eigene Perspektive mit. Das macht Kunst lebendig und vielschichtig. Wenn wir anfangen, nur noch "moralisch reine" Kunst zu konsumieren, wird es sehr eng – auch im Alltag, in der Philosophie oder bei Produkten, die wir kaufen. Also man kann den Film gucken und Mel Gibson trotzdem blöd finden. Und das noch nicht mal zu Unrecht.
DOMRADIO.DE: Die Auferstehung eignet sich als ein Kino-Hit oder wird das ein Flop?
Reckzeh-Stein: Ich bin skeptisch. Einige werden den Film sehen, einfach weil sie den ersten kannten und eine Fortsetzung erwarten. Aber viele Fortsetzungen oder Neuverfilmungen der letzten Jahre waren eher schwach. Auch ist fraglich, ob James Caviezel nach 20 Jahren noch für die Rolle des Jesus taugt.
Und was will man in zwei Filmen über die Auferstehung erzählen? Wahrscheinlich wird es viel Pathos geben – das liegt diesen Produktionen ohnehin. Sie wollen Emotionen wecken und Identität stiften. Man sollte auch fragen, was die Intention ist? Soll beim Publikum eine bestimmte Reaktion ausgelöst werden? Ich halte einen gewissen Erfolg für denkbar, aber das allein macht noch keinen guten Film.
Das Interview führte Annika Weiler.