Kirchenpräsident: "Widerspruchsgeist ist kein Wert an sich"

Mit Blick auf Querdenker

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Jung hat im ZDF-Fernsehgottesdienst an den Widerspruchsgeist Martin Luthers erinnert. Mit Blick auf die Querdenker sei Widerspruchsgeist kein Wert an sich. Auch Bischof Kohlgraf nahm am Gottesdienst teil.

Demonstrant mit Schildern gegen die Corona-Maßnahmen / © Christoph Schmidt (dpa)
Demonstrant mit Schildern gegen die Corona-Maßnahmen / © Christoph Schmidt ( dpa )

An den Widerspruch des Reformators Martin Luthers vor Kaiser Karl V. in Worms vor 500 Jahren hat am Sonntag ein ZDF-Fernsehgottesdienst erinnert.  "Um des Evangeliums willen ist Widerspruch und Widerstand überall dort nötig, wo Menschen gefoltert, erniedrigt, vergewaltigt, hingerichtet werden", erklärte dazu der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung. "All das widerspricht der Würde, die Gott in jedes Menschenleben hineingelegt hat", sagte er in dem Gottesdienst unter dem Motto "wagemutig" aus der Magnuskirche in Worms.

Widerspruch sei deshalb auch nötig gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. "Da muss man sich in Luthers Schuhen auch gegen manche Äußerung von Luther selbst stellen. Und natürlich auch gegen Fehler und Missstände in unseren Kirchen", sagte Jung.

Wichtige Prüffrage: Kann ich kritisch auf die eigene Meinung schauen? 

Der Kirchenpräsident wandte sich aber gegen die Vereinnahmung des Reformators für jeden Widerspruch. "Dafür einzutreten, wovon man überzeugt ist, ist gut. Aber Widerspruchsgeist ist kein Wert an sich. Es gibt Menschen, die standhaft widersprechen und sehr viel Unsinn vertreten", sagte Jung. "Widerspruch heißt dann Querdenken", sagte er mit Blick auf Corona-Leugner.

Luther habe sich auf das Evangelium und die Vernunft gestützt, um zu einem Urteil zu kommen. Er habe aber gewusst, dass Menschen sich irren können. "Deshalb hat er sehr deutlich gesagt, dass er widerruft, wenn er widerlegt wird." Jung nannte das "eine wichtige Prüffrage: Ist jemand bereit, auch kritisch auf die eigene Meinung zu schauen? Skeptisch werde ich immer dann, wenn Menschen neben ihrer Meinung nichts anderes mehr gelten lassen."

Bischof Kohlgraf: Kirchen können einander den Friedensgruß geben

Der katholische Mainzer Bischof Peter Kohlgraf nannte es ein starkes Zeichen für eine gute ökumenische Geschwisterlichkeit, dass er bei der Feier dabei sein dürfe. Die Glaubensstärke Luthers nötige auch ihm Respekt ab. Die Kirchen könnten sich im Zeitalter der Ökumene so begegnen, wie es Papst Franziskus einmal formuliert habe: "Sich gegenseitig in das Gesicht sehen, einander den Friedenskuss geben, füreinander beten und natürlich miteinander beten, auf der Grundlage der einen Taufe und des einen Glaubens", sagte Kohlgraf. "Auch heute ermutigen uns Menschen wie Martin Luther zur ständigen Erneuerung aus dem Evangelium."

Die Reise des Reformators Martin Luther (1483-1546) von Wittenberg nach Worms gilt als Schlüsselmoment der Kirchengeschichte. Bei seinem mutigen Auftritt auf dem Wormser Reichstag vor Kaiser Karl V. am 16. und 17. April 1521 weigerte er sich, die eigenen Lehren zu widerrufen. Luther beharrte darauf: Wenn er nicht durch die Bibel und klare Vernunftgründe überzeugt werde, könne er nicht gegen sein Gewissen handeln. Wenig später sprach der Kaiser die Reichsacht über Luther aus und erklärte ihn für vogelfrei. Die Reformation jedoch breitete sich umso schneller aus.


Volker Jung, Präsident der EKHN / © Arne Dedert (dpa)
Volker Jung, Präsident der EKHN / © Arne Dedert ( dpa )

Bischof Peter Kohlgraf / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Peter Kohlgraf / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd
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