Mein Sommer: Die Politikerin Lale Akgün

Nostalgie, Kontinuität, Wahlkampfzeit

Journalisten sprechen gerne vom Sommerloch. Von der Zeit im Jahr, in der scheinbar nichts passiert und eine Nation Auszeit nimmt. Aber Auszeit wovon genau? domradio.de hat Menschen aus Kirche und Gesellschaft gefragt. Diesmal in der Sommerreihe: Die Bundestagsabgeordnete Lale Akgün.

 (DR)

domradio: Was bedeutet für Sie Sommer - immerhin sind Sie mit der Türkei in einem sehr sonnigen Land groß geworden?
Akgün: So groß nicht, ich war ja nur die ersten neun Jahre meines Lebens in der Türkei. Viele denken deshalb, ich würde Hitze viel besser vertragen. Aber jetzt bin ich mittlerweile schon 55 Jahre alt - lebe also bereits 46 Jahre in Mitteleuropa!
Trotzdem ist Sommer für mich eine Gefühlssache. Ich brauche Licht. Im Winter mache ich immer ganz viele Lampen an oder zünde Kerzen an, und im Sommer brauche ich das nicht. Dass ich eine echte Mitteleuropäerin geworden bin, zeigt doch, dass ich inzwischen die langen, hellen Abende richtig genieße. Das ist etwas ganz Wunderbares. Am Mittelmeer haben Sie das nicht so sehr. Da wird es schlag halb neun dunkel. Als Kinder sind wir dann immer ins Freilichtkino gegangen. Hier könnten sie Sommer gar nicht vor 22 Uhr anfangen. Und heute ist Sommer für mich: An einem schönen Abend, wenn es noch hell ist, in einem Straßencafé oder einem Biergarten zu sitzen und so den Tag ausklingen zu lassen.

domradio: Politiker stehen selbst im Urlaub im Blickfeld der Öffentlichkeit, vertreten durch die Medien. Manchmal hat man das Gefühl, als wäre das aber nicht in Ordnung. Wenn Politiker sich erholen. Dem widersprechen Sie?
Akgün: Natürlich! Für mich bedeutet Urlaub Sand und Meer. Manche Menschen denken, Politiker würden im dunklen Anzug ins Bett gehen. Ich erinnere mich noch an die ‚Sensation' vor einigen Jahren: Angela Merkel im Badeanzug abgelichtet! Was soll das? Ich freue mich doch, wenn unsere Kanzlerin auch mal Schwimmen geht. Das ist doch selbstverständlich. In einem demokratischen Land ist es doch völlig normal, dass wir als gewählte Volksvertreter in der Freizeit genau so leben wie das Volk selber auch: dass wir Schwimmen gehen, dass wir in den Bergen wandern oder was auch immer. Für mich selber heißt Sommer: Sand um Meer. Wenn ich ins Wasser springe und es zischt, dann weiß ich, dass Sommer ist und ich mich erhole. Das genieße ich sehr. Und deswegen mache ich auch meistens Urlaub in mediterranen Ländern.

domradio: Haben Sie ein bevorzugtes Urlaubsland?
Akgün: Die Türkei. Weil ich von meinem Vater ein ganz, ganz kleines Häuschen geerbt habe. Direkt am Wasser. Im Prinzip ist das eine Hütte. Aber in der Sommerhitze reicht diese Hütte völlig aus. Das hat auch viel mit Jugenderinnerungen zu tun. Ich denke dann an den ersten zwei, drei Tagen immer zurück, wie das war, als meine Eltern noch lebten und wir gemeinsam Urlaub machten. Also auch ein Stück Nostalgie. Aber das heißt nicht, dass ich nicht auch andere Ziele liebe.

domradio: Verbringen Sie Ihre Urlaube mit der Familie?
Akgün: Immer mit meinem Mann. Unsere erwachsene Tochter ist nur noch sporadisch dabei. Und wenn sie mitkommt, bleibt sie auch meistens nicht so lange. Das finde ich aber auch völlig in Ordnung. Früher haben wir immer zusammen Urlaub gemacht. Wenn ich daran zurückdenke, wie unsere Tochter zum ersten Mal im Wasser war, wie wir sie mit Schwimmflügel festgehalten haben, und wenn ich sie mir dann heute anschaue, denke ich: Manche Leute mögen es langweilig finden, immer an den selben Ort zu fahren. Und im Prinzip haben sie ja auch recht. Aber es ist auch wie ein Innehalten. Man denkt zurück - angefangen bei den ersten Erlebnissen mit dem Kinderwagen. Ein schönes Gefühl, ein Gefühl der Kontinuität.

domradio: Dem Sommer folgt in diesem Jahr die Bundestagswahl Anfang Herbst. Wie sehr sitzt sie Ihnen im Nacken?
Akgün: Nicht nur im Nacken, im Kopf selber. Umso wichtiger ist es, auch Urlaub zu machen. Und wenn es nur ein paar Tage sind. Damit man sich nicht nur in der Mühle Arbeitsalltag bewegt.

domradio: Und dem Urlaub folgt der so genannte Straßenwahlkampf?
Akgün: Selbstverständlich. Dann treffen Sie mich in meinem Wahlkreis in allen Biergräten und Cafés. Für mich bedeutet auch das ein Stück Sommer. Während die anderen sitzen und den Abend genießen, ziehe ich von Tisch zu Tisch und versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Beim Straßenwahlkampf kommt man am besten mit den Leuten ins Gespräch und kann Meinungen und Informationen austauschen. Keine ganz neue Erfahrung, ich wohne ja noch immer in Köln, wenn ich nicht in Berlin bin. Der Kontakt zu den Menschen ist also immer da. Dennoch wird dieser Sommer sicherlich anstrengend. Ich hoffe nur, dass das Wetter mitspielt. Nichts ist so unangenehm, wie im strömenden Regen Wahlkampf zu machen. Niemand will dann stehen bleiben - zu Recht. Wenn die Sonne scheint und das Wetter mitspielt, werden wir gute Wochen erleben.

domradio: Was machen Sie, wenn Sie es nicht wieder in den Bundestag schaffen?
Akgün: Das würde bedeuten, dass ich zu meinem alten Job im Sozialministerium in Düsseldorf zurückkehre. Also keine zu große Umstellung. Ich habe immer in Köln gelebt. Ich würde dann also täglich nach Düsseldorf pendeln, statt wochenweise nach Berlin. Ansonsten würde ich weiterhin in einem bestimmten Bereich in der Exekutive auf einer anderen Ebene arbeiten.

domradio: Grundsätzlich aber wünschen Sie sich weitere vier Jahre mit Mandat?
Akgün: Wer antritt, will auch gewinnen. Und ich bin ganz guter Dinge, dass es klappt. Ich werde vor allem um Erststimmen kämpfen. Ich will als Person wahrgenommen und gewählt werden.   

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