Mein Sommer: Schwester Lea Ackermann

"Der Sommer 1985 hat mein Leben verändert"

Journalisten sprechen gerne vom Sommerloch. Von der Zeit im Jahr, in der scheinbar nichts passiert und eine Nation Auszeit nimmt. Aber Auszeit wovon genau? domradio.de hat Menschen aus Kirche und Gesellschaft gefragt.

 (DR)

domradio: Für Sie war der Sommer 1985 ein besonderer Sommer...
Ackermann: Ich erinnere mich sehr gut an Mombasa, ein großartiger Sommer! 1985 war vorher die Weltfrauenkonferenz in Nairobi. Frauen aus der ganzen Welt kamen da zusammen. Zu neuen Workshops. Jeden Tag. Unheimlich kreativ und interessant. Und das Hauptthema war Gewalt an Frauen. Da ich schon ein paar Tage vorher vor Ort war, konnte ich Vieles mitplanen und einen großen Einblick in alles erhalten.   

domradio: War das dann der Beginn für Ihr Engagement in Kenia?
Ackermann: Ja, das hat Eindruck hinterlassen. Die ganzen Themen, die sich mit Gewalt an Frauen beschäftigt haben: Prostitution, Sextourismus, Heiratsmarkt. Und vor allem das allgegenwärtige Motiv Empowerment. Damals sagten wir: Die Hälfte des Himmels den Frauen, die Hälfte der Erde den Frauen, die Hälfte der Macht den Frauen! Und mit der Begeisterung dieser Weltfrauenkonferenz kam ich dann nach Mombasa. Und dort dachte ich: Hier will ich mich engagieren

domradio: Wie genau?
Ackermann: Ich wollte von den Frauen selber hören, wo ihre Probleme liegen. Auf der Straßen, in Restaurants und anderen Treffpunkten mit Touristen sagten sie mir dann, wie sie ihre Situation sehen. Wenn mir eine Frau gesagt hätte 'Tolle Prostitution, mit dem Geld kann ich meiner Familie helfen', wäre mir das auch egal gewesen. Aber die Frauen sagten etwas anderes. Sie sagten 'Meinen Sie es macht Spaß, mit jedem Deppen abzuziehen? Sich Krankheiten zu holen? Mal Geld zu haben? Mal keins?' Da habe ich mir gesagt: Für diese chancenlosen Frauen und ihre Kinder will ich mich einsetzen. Und um deren Situation, die ich ja eigentlich gar nicht kannte, bin ich auf die Straße gegangen. Und mit den Frauen, die mit ihrer Situation unzufrieden war, überlegte ich Auswege; was sie noch machen können, wie sie ihre Situation verbessern können. So hat es begonnen, und so ist die Philosophie von Solwodi bis heute: das, was in den Frauen steckt, zu finden. Ihre Ziele und Potentiale.

domradio: Der Sommer von 1985 war also einer, der auch Ihr Leben verändert hat?
Ackermann: Ja, auf jeden Fall. Dieser Sommer hat mein Leben wirklich verändert. Bis dahin war ich Lehrerin.

domradio: Was ist grundsätzlich Ihre erste Erinnerung an Sommer? Was verbinden Sie  mit der Zeit?
Ackermann: Hitze - und die habe ich gerne. Und wenn der Sommer schön werden soll, muss ich in die Nähe von Wasser. Ich liebe Wasser! Schon als Kind habe ich gedacht: Ach, wenn ich am Meer wohnen könnte... Das war mein großer Traum. Und als ich 1985 nach Nairobi und Kenia kam, war das eine Erfüllung meines Lebenstraums. Die Hitze, die Landschaft, die netten Menschen - und Meer war da. Es gelang mir damals schon früh einzurichten, sonntags ans Meer fahren zu können.

domradio: Was bedeutet der Sommer heute für sie?
Ackermann: Er ist mir immer zu kurz. Ich liebe den Sommer und seine Hitze noch immer. Und wenn es möglich ist, gehe ich auch heute noch Schwimmen. Sogar im Rhein. 

Lea Ackermann †

Die Frauenrechtlerin und katholische Ordensschwester Lea Ackermann ist tot. Die 86-Jährige starb am 31. Oktober 2023 in einem Trierer Krankenhaus, teilte der von ihr gegründete Verein Solwodi in Koblenz mit. 

Für ihren unermüdlichen Einsatz gegen Frauenhandel und Zwangsprostitution erhielt Schwester Dr. Lea Ackermann zahlreichen Ehrungen – unter anderem den Romano-Guardini-Preis und das Große Bundesverdienstkreuz. 1985 gründete sie die Organisation SOLWODI ("SOLidarity with WOmen in DIstress" – Solidarität mit Frauen in Not) in Mombasa/Kenia.

Lea Ackermann / © Thomas Frey (dpa)
Lea Ackermann / © Thomas Frey ( dpa )