Im Tibet halten die Unruhen an - Deutschland diskutiert Olympia-Boykott - der Dalai Lama Freund und Theologe Franz Alt erinnert an Nazi-Spiele

Lernen aus Berlin 1936

Die Unruhen in Tibet haben sich am Montag trotz des massiven Aufgebots chinesischer Sicherheitskräfte ausgeweitet. Die tibetische Exilregierung mit Sitz in Indien bezeichnete die Lage als "extrem ernst". Im Ausland hat unterdessen die Debatte um Olympischen Spiele in diesem Jahr in Peking begonnen. Der Journalist, Theologe und Tibet-Kenner Franz Alt spricht sich auf seiner Internetseite indirekt für einen Boykott aus - und zieht Parallelen zu Berlin 1936.

 (DR)

In seinem Kommentar vergleicht Alt die Nazidiktatur in Deutschland mit dem Regime in Peking. Zwar räumt er ein, dass es ideologische Unterschiede zwischen den Systemen geben. Aber aus der Sicht der Opfer von Diktaturen spielten diese keine große Rolle. "Menschenrechtsverletzungen sind Menschenrechtsverletzungen", so Alt.

Die Welt müsse ihre Lehre aus den Olympischen Spielen ziehen. "Gerade wir Deutsche sollten diese Lektion aufgrund unserer eigenen Vergangenheit gelernt haben. Die Stummen und Gefolterten auf der ganzen Welkt brauchen unsere Stimme."

Deutsche Politiker gegen Boykott
Trotz der Unruhen in Tibet haben sich deutsche Politiker gegen einen Boykott der Olympischen Spiele im Sommer in Peking ausgesprochen. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff (CDU), sagte am Montag, die Menschen in Tibet hätten von einem Boykott keinen Nutzen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, appellierte an das Internationale Olympische Komitee (IOC), sich in den Tibet-Konflikt einzuschalten.

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Rauen (CDU), sagte, das Streben Chinas nach erfolgreichen Spielen sei eine Chance, konkrete Verbesserungen zu erreichen. Der sportpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Hermann, forderte die Entsendung eines internationalen Komitees nach Tibet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich bereits am Wochenende gegen einen Olympia-Boykott ausgesprochen.

Exilregierung: 80 Tote bei Unruhen in Tibet
Die chinesischen Behörden haben den Demonstranten in Tibet bis Montag um Mitternacht (Ortszeit) ein Ultimatum gestellt. Nach dessen Ablauf könnte es zu einem Massaker kommen, warnte die Exilregierung im nordindischen Dharamsala.

Nach Angaben von Exiltibetern sollen am Montagmorgen etwa 1.000 Mönche aus dem von der Polizei umstellten Kirti-Kloster im Osten Tibets ausgebrochen sein, um weiter gegen die chinesische Herrschaft zu demonstrieren. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, es sollen auch Schüsse gefallen sein. Die "International Campaign for Tibet" sprach von acht Toten. Auch in der chinesischen Gansu-Provinz gab es Proteste. In der tibetischen Hauptstadt Lhasa sollen groß angelegte Razzien begonnen haben.

Dalai Lama: Völkermord
Die chinesische Führung bestritt am Montag, Schusswaffen gegen Demonstranten eingesetzt zu haben. Man sei vielmehr sehr behutsam gegen den gewaltsamen Aufstand der Tibeter vorgegangen. Qiangba Puncog, der Regionalgouverneur Tibets, machte laut dem britischen Sender BBC das geistliche Oberhaupt der Tibeter, den im Exil lebenden Dalai Lama, für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Der Dalai Lama hatte China vorgeworfen, eine Herrschaft des Terrors in der Region aufrecht zu erhalten und "kulturellen Völkermord" zu begehen.

Die Proteste gegen die chinesische Herrschaft hatten vor einer Woche begonnen. Am Freitag war die Situation in Lhasa eskaliert. Demonstranten steckten chinesische Geschäfte in Brand, Panzer fuhren durch die Straßen. Nach Angaben der tibetischen Exilregierung starben etwa 80 Menschen. Die chinesischen Behörden sprechen von 13 Toten. Auch im Nachbarland Nepal gab es am Montag neue pro-tibetische Demonstrationen.

Tibet war 1950/51 von chinesischen Truppen besetzt worden. Später wurde es als "autonome Region" in die kommunistisch regierte Volksrepublik China eingegliedert.

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