Tibet-Eskalation: Der Dalai Lama greift China an

"Kultureller Völkermord"

In Tibet sind die Proteste gegen die chinesische Herrschaft eskaliert. In der Hauptstadt Lhasa wurden zwei buddhistische Mönche getötet. Die tibetische Exilregierung spricht Medienberichten zufolge von rund 100 Opfern. Die Proteste sind die schlimmsten seit 1989. Ausländer wurden jetzt aufgefordert, dasss Land zu verlassen. Der Dalai Lama befürchtet einen "kulturellen Völkermord" - die Olympischen Spiele gönnt er Peking dennoch.

 (DR)


Aus dem Exil in Dharmsala äußerte der religiöse Führer der Tibeter, der Dalai Lama, am Sonntag die Sorge, dass es in seiner Heimat zu noch mehr Blutvergießen komme könne. Wenn die Regierung in Peking ihre Politik in dem von ihr kontrollierten Tibet nicht ändere, fürchte er, dass dort noch mehr Menschen umkommen, sagte der Dalai Lama laut BBC. Er habe Berichte aus Tibet erhalten, wonach bei den Unruhen der letzten Tage bis zu hundert Demonstranten getötet wurden.

In der Provinz Sichuan sollen tausende Mönche in ihren Klöstern eingesperrt sein. Sicherheitskräfte haben die Klöster nach Medienberichten umstellt.

In einer Erklärung warf der Dalai Lama China vor, in seiner tibetischen Heimat einen "kulturellen Völkermord" zu begehen. Das geistige Oberhaupt sagte, er wolle das eine angesehene internationale Organisation die Lage in Tibet untersuche. Es gebe ein Problem in China, "ob es die chinesische Regierung nun zugibt oder nicht." Ein uraltes Kulturerbe sei in ernster Gefahr. "Ob mit oder ohne Absicht - es findet eine Art kultureller Völkermord statt", sagte der Friedensnobelpreisträger vor Journalisten. Das kommunistische China übe eine "Herrschaft des Terrors" aus, Tibeter würden als "Bürger zweiter Klasse" behandelt, fügte er hinzu.

Und dennoch: Trotz des gewaltsamen Vorgehens Chinas gegen die Aufständischen sprach sich der Dalai Lama für die Austragung der Olympischen Sommerspiele in Peking aus. "Ich will die Spiele", sagte er. "Die Chinesen sollen stolz darauf sein. China verdient, Gastgeber der Olympischen Spiele zu sein. Allerdings müsse das Land daran erinnert werden, "ein guter Gastgeber zu sein".

Merkel besorgt
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angesichts der schweren Unruhen in Tibet die Konfliktparteien zu Gewaltverzicht und Gesprächen aufgerufen. Nur über "einen friedlichen und direkten Dialog zwischen der chinesischen Regierung und dem geistigen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, könne eine nachhaltige Lösung der Tibet-Frage gefunden werden", sagte Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm am Wochenende in Berlin. Deutsche Außenpolitiker forderten die Einreise internationaler Beobachter. Das Auswärtige Amt riet von Reisen in das Autonome Gebiet Tibet «bis auf weiteres» ab. Es müsse mit Ausschreitungen gerechnet werden.

Die Proteste gegen die chinesische Besetzung Tibets waren am Freitag in Gewalt umgeschlagen. Nach Medienberichten kam es in der Hauptstadt Lhasa zu Straßenschlachten, bei denen mehrere Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Anlass der Proteste ist der 49. Jahrestag eines Aufstandes in Lhasa gegen die chinesischen Besatzer.

Die heftigsten Proteste seit 1989
Die chinesischen Behörden in Tibet haben den Demonstranten ein Ultimatum bis Montag gestellt. Gesetzesbrecher sollten sich freiwillig stellen, dann könnten sie mit Gnade rechnen, hieß es. Diejenigen, die sich nicht bis Montag freiwillig meldeten, würden hart bestraft.

Die Proteste in Tibet wenige Monate vor den Olympischen Sommerspielen im August in Peking sind die heftigsten seit 1989. Am Montag hatten Mönche in Lhasa mit Demonstrationen begonnen. Mit ihren Protest erinnerten sie auch an den Volksaufstand in Tibet im März 1959, in dessen Verlauf ihr Oberhaupt, der Dalai Lama, außer Landes floh.

Chinesische Truppen hatten Tibet 1950/51 besetzt. Später wurde das Gebiet als autonome Region in die Volksrepublik China eingegliedert.