Erzbischof plädiert für Frieden in Myanmar

"Töten für nichts und wieder nichts"

Zwei Jahre nach dem Militärputsch findet sich Myanmar in einer humanitären Katastrophe. Der Erzbischof der zweitgrößten Stadt Mandalay betont das friedliche Miteinander der Religionen, das ein Ausweg aus dem Bürgerkrieg sein könnte.

Militärputsch in Myanmar / © uncredited (dpa)
Militärputsch in Myanmar / © uncredited ( dpa )

DOMRADIO.DE: Vor genau zwei Jahren, am 1. Februar 2021 ereignete sich der Militärputsch in Myanmar. Wie geht es heute, zwei Jahre später, den Menschen und auch den Christen in Ihrem Land?

Marco Tin Win (Erzbischof von Mandalay): Der Militärputsch hat in unserem Land zu einem regelrechten Bürgerkrieg geführt. Die Menschen wünschen sich Freiheit und Frieden. In meiner Erzdiözese wurde viel zerstört, auch die Kirchen. Zum heutigen Jahrestag wird den ganzen Tag ein stummer Streik abgehalten. Wir haben viele Flüchtlinge, die Dörfer und Kirchen wurden niedergebrannt. Die jungen Leute verlassen unser Land in Massen, weil sie eine Perspektive für die Zukunft wollen. Alles in allem ist das eine wirklich herzzerreißende Situation.

DOMRADIO.DE: Wie kümmern Sie sich um die Flüchtlinge in Ihrem Bistum?

Tin Win: Wir haben Flüchtlingszentren eingerichtet im Priesterseminar und im Pilgerzentrum unseres Bistums. Da haben wir Platz die Menschen unterzubringen. Vier solcher Zentren haben wir eingerichtet, für die Menschen die größtenteils aus den Dörfern geflohen sind. Als das Militär kam, haben die Menschen fluchtartig ihre Dörfer verlassen und sich im Umland versteckt. Denen bieten wir eine Zuflucht.

DOMRADIO.DE: Die Christen leben in der Minderheit in Myanmar, "Kirche in Not" spricht von acht Prozent und nur einem Prozent Katholiken. Was heißt das für das christliche Leben bei Ihnen?

Tin Win: Nicht nur die Christen, auch die Hindus und Muslime leben in einer Notsituation im Moment. Besonderen Respekt verdienen unsere Priester. Sie bleiben in den Gemeinden bei den Menschen. Wenn die Menschen fliehen, fliehen die Priester mit ihnen gemeinsam. Sie kümmern sich um die Alten und die Kinder. Sie essen und schlafen bei den Menschen auf der Flucht. Wenn sie in die buddhistischen Dörfer kommen, werden sie dort wärmstens aufgenommen und versorgt, selbst wenn die Leute selber nicht viel haben. Dafür bin ich wirklich dankbar.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat Sie in die Kongregation für interreligiösen Dialog berufen, bereits 2017. Wie funktioniert der Dialog in dieser Ausnahmezeit?

Tin Win: Ich kenne viele buddhistische und muslimische Religionsführer, schon seit vielen Jahren. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zwischen den Religionen. Die Dörfer unseres Bistums Mandalay sind ein Zentrum der burmesischen Kultur, also der buddhistischen Religion. Da gibt es überhaupt keine Probleme. Die Hälfte sind Buddhisten die andere Hälfte Katholiken. Wir leben in Frieden zusammen.

Trotzdem gibt es immer Menschen, die versuchen uns zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Wir versuchen auf Dialog zu setzen, zwischen den Gläubigen und auch zwischen den Religionsführern. Die letzten drei Jahre der Pandemie haben den persönlichen Kontakt allerdings etwas schwerer gemacht.

DOMRADIO.DE: Kann denn das Miteinander, der Frieden zwischen den Religionen ein Vorbild sein, um das ganze Land zu befrieden?

Tin Win: Ja, darauf hoffen wir. Wenn die Flüchtlinge aus den katholischen Dörfern fliehen, gehen sie in die buddhistischen Dörfer. Als die buddhistischen Dörfer vom Militär angegriffen und zerstört wurden, sind die Menschen in unsere Kirchen und Klöster gekommen, wo wir uns um sie gekümmert haben. In dieser schwierigen Zeit sind wir sehr dankbar, dass die Religionen sich gegenseitig unterstützen.

DOMRADIO.DE: Im Moment wird von Papst Franziskus die Weltsynode durchgeführt, die auf allen fünf Kontinenten die Katholiken fragt, was sie sich von einer Kirche der Zukunft erhoffen. Wir haben hier nur unseren deutschen Standpunkt. Wie sehen Sie Wünsche da bei Ihnen in Myanmar aus?

Tin Win: Obwohl wir uns in dieser Ausnahmesituation befinden, haben wir unseren Beitrag für die Bischofssynode schon eingereicht. Die Stichworte sind bei uns Gemeinschaft, Beteiligung und Mission. Wir sind ein Missionsland, das hat bei uns einen hohen Stellenwert.

Mehr bemühen müssen wir uns bei der Beteiligung von Laien. In unserer Kultur stehen die Priester, Bischöfe und Ordensleute manchmal ein wenig für sich. Gerade jetzt aber in dieser Ausnahmesituation merken wir aber, dass sie bei den Menschen sind und sie unterstützen – und das nicht nur bei den Christen, auch den Buddhisten. Da merken wir doch, dass die Botschaft des Evangeliums wirklich bei den Menschen ankommt durch dieses starke Zeugnis.  

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Landes?

Tin Win: Wir wünschen uns ein Ende der Kämpfe. Brüder kämpfen gegen Brüder, Schwestern gegen Schwestern, das Militär gegen die Bevölkerung und umgekehrt. Das ist ein Drama. Auf beiden Seiten ist man sich siegessicher. Aber was ist das für ein Erfolg, wenn die Menschen leiden?

Wir beten für Frieden, Dialog und Versöhnung. Das ist der einzige Weg. Frieden ist möglich, und die einzige Antwort, wie Papst Franziskus so oft sagt. Frieden ist die einzige Option für unser Land. Jeder kann Fehler machen und zum Feind seines nächsten werden. Der Ausweg sind nur Liebe und Vergebung. Am Ende sind wir immer noch ein Volk, Brüder und Schwestern. Lasst uns auf den anderen hören und unser Land wieder aufbauen. Warum müssen wir einander bekämpfen und töten für nichts und wieder nichts?

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR
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