Zwei Jahre Putsch in Myanmar - Junta, Widerstand und Religion

Demonstration in Myanmar (Archiv) / © Uncredited/AP (dpa)
Demonstration in Myanmar (Archiv) / © Uncredited/AP ( dpa )

Am 1. Februar jährt sich zum zweiten Mal der Putsch in Myanmar. Das Land versinkt im Bürgerkrieg. Und in einer humanitären Katastrophe. Die Militär-Junta setzt den Buddhismus als Waffe ein, brennt Tempel und Kirchen nieder.

Sie starben am 9. Januar 2023 im Unionsstaat der Karen, getötet von der Armee Myanmars: Saw Hser K'Paw Moo und Saw Baw Boe. Die beiden Männer waren Mitglieder der humanitären christlichen Hilfsorganisation "Free Burma Rangers" (FBR), die ein zum christlichen Missionar gewandelter Offizier der US-Armee, David Eubank, vor 25 Jahren gegründet hatte. Die FBR, sagte Eubank telefonisch aus Karen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), finanziere sich ausschließlich aus Spenden einiger Kirchengemeinden in den USA sowie Einzelspendern aus den USA, Deutschland und wenigen anderen Ländern.

Die FBR leistet in den überwiegend christlichen Unionsstaaten Kayah und Kayin den von der Diktatur unterdrückten und der Armee bekämpften ethnischen Minderheiten humanitäre Hilfe. In den Reihen der FBR seien sowohl Christen, Buddhisten, Animisten als auch Atheisten ehrenamtlich aktiv. "Wir arbeiten mitten unter den Menschen. Wenn sie angegriffen werden und fliehen müssen, dann fliehen wir mit ihnen", sagt Eubank und fügt hinzu: "Wir bewaffnen unsere Ranger nicht, aber wer eine Waffe tragen will, kann das tun. Wir sind keine Miliz, aber auch keine Pazifisten. Selbstverteidigung ist ein Menschenrecht."

Das Land der Karen ist eines der Zentren des Bürgerkriegs, den die Junta gegen das eigene Volk führt. "Die Karen erleben jeden Tag Angriffe mit Bombern, Kampfhubschraubern und Bodentruppen", berichtet Eubank. Dennoch die Menschen entschlossen, die Junta und das Militär zu bekämpfen. "Niemals zuvor in der Geschichte Myanmars hat es eine solche Einigkeit unter Religionen, Ethnien, Stämmen und Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen gegeben."

Seit mehr als 75 Jahren kämpfen die verschiedenen ethnischen Völker Myanmars um kulturelle, politische, religiöse und wirtschaftliche Autonomie. Auf der anderen Seite steht das Militär. Seit dem ersten Putsch im Jahr 1962 ist es fast ununterbrochen an der Macht.

"Die Armee versteht ihren Job als 'Nation Building' auf Basis der Werte und Traditionen des Buddhismus der Mehrheitsethnie Bama", erklärt Anthony Davis. "Gegen diese Birmanisierung wehren sich die überwiegend christlichen ethnischen Völker der Chin, der Kachin, der Karen", erklärt der in Bangkok ansässige Analyst des Militärmagazins "Jane's".

Die Junta lässt ihre Truppen Kirchen und Tempel, christliche und buddhistische Klöster angreifen, die im Verdacht stehen, den Widerstand zu unterstützen. Im Kernland des Buddhismus Sagaing in Zentralbirma wurden seit dem Putsch zehntausende Häuser - auch in katholischen Dörfern - von Soldaten niedergebrannt. Im überwiegend christlichen Kachin wurde vor wenigen Wochen der baptistische Reverend Hkalam Samson, einer der prominentesten christlichen Führungspersönlichkeiten in Kachin, verhaftet.

Juntachef General Win Aung Hlaing versucht, seine Diktatur durch üppige Spenden an buddhistische Tempel und Klöster sowie die Kooptierung hochrangiger buddhistischer Mönche zu legitimieren. "Er benutzt den Buddhismus als Waffe", sagt Davis. Auch in den von der Junta kontrollierten Dörfern arbeite das Militär mit Mönchen zusammen, um die Moral der Truppen zu stärken. "Man kann die Rolle der Mönche vor Ort mit der von kommunistischen Politkommissaren vergleichen", sagt Davis.

Buddhistische Mönche sind aber auch auf der Seite des Widerstands aktiv. Doch davon hört man nichts, wenn nicht wieder einmal Tempel angegriffen oder Mönche verhaftet werden. "Die 'Regierung der nationalen Einheit' der Opposition und die Widerstandsgruppen der ethnischen Völker haben es nicht nötig, Religionen zu instrumentalisieren. Sie wissen die große Mehrheit des Volkes hinter sich", betont Davis und fügt hinzu: "Dass sie Religion nicht als Waffe einsetzen, ist ein Zeichen der Stärke."

In den ersten zwei Monaten nach dem Putsch hatte sich der Erzbischof von Rangun, Kardinal Charles Bo, mit deutlichen Worten gegen den Staatsstreich ausgesprochen. In Mandalay ging der katholische Erzbischof Marco Tin Win zusammen mit Demonstranten gegen das Regime auf die Straße. Inzwischen aber sind die Stimmen katholischer Prälaten weitgehend verstummt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Junta Druck auf die Kleriker ausübt, Druck, der zum Beispiel sichtbar wurde, als im April 2022 das Militär eine Razzia in der Kathedrale von Mandalay durchführte.

Katholische Geistliche äußern sich meist nur noch zur humanitären Lage in Myanmar. Laut Schätzungen sind dort zwischen zwei und drei Millionen Menschen auf der Flucht vor Militärgewalt. Oder sie deuten die aktuelle Lage leicht verklausuliert wie Kardinal Bo, der kurz vor dem zweiten Jahrestag des Putsches zusammen mit den Erzbischöfen Marco Tin Win und Basilio Athai, das "Volk von Myanmar und alle staatlichen und nichtstaatlichen Akteure" zur einer "Pilgerfahrt zum Frieden" aufrief. Gleichzeitig verurteilten sie die Angriffe auf religiöse Einrichtungen.

In der Erklärung vom 20. Januar heißt es: "Die Nation muss geheilt werden. Heilung kommt durch unser tiefes Verständnis dafür, dass wir alle miteinander verbunden sind. Gotteshäuser fördern diese gegenseitige Abhängigkeit und führen zum Frieden. Wenn diese gnadenlos niedergebrannt werden, wird die Rückkehr zur Normalität zu einer großen Herausforderung."

Von Michael Lenz (KNA), 25.1.23