Erzbischof Marx zieht beim Amtsantritt alle Register

"Pack' ma's!"

Von einer Woge der Sympathie ist der Münchner Erzbischof Reinhard Marx (54) in sein Amt getragen worden. Trotz zunächst nasskalter Witterung gerieten die dreitägigen Feierlichkeiten über weite Strecken zu einem bayerischen Volksfest. Trachtler und Blasmusik, Dreigesang und Jodler bewegten sichtlich das Gemüt des Westfalen. Eine perfekte Regie schien selbst das Wetter im Griff zu haben.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Als die Festgemeinde am Samstag mit ihrem neuen Erzbischof aus dem Münchner Liebfrauendom drängte und die Bayernhymne intoniert wurde, zeigte sich der Himmel weiß und blau. Nur kurz zuckte der Marx zusammen, als Gebirgsschützen auf dem Domvorplatz ihre erste von drei ohrenbetäubenden Gewehrsalven abfeuerten.

Seinem Vorgänger, Kardinal Friedrich Wetter (79), erwies er die Reverenz, indem er dessen 25-jähriges Wirken als "beispielhaft" würdigte. Da erklang minutenlanger Applaus im Dom. Der Pfälzer Wetter, ebenfalls ein "Zuagroaster", hat sich mit seiner dialogorientierten Amtsführung Respekt und echte Zuneigung erworben. Marx' erste Personalentscheidungen signalisieren Kontinuität. Er verlängerte das Mandat für seinen Verwaltungschef, den Generalvikar, und den Leiter des kirchlichen Gerichts, den Offizial.

Trotz aller Kontinuität wurden die Unterschiede zwischen den beiden sichtbar. Marx redet kraftvoll, über weite Strecken frei, während sich Wetter stets an seinem Manuskript festhielt. Schon die Statur des Westfalen strahlt pure Lebensfreude aus, während sein Vorgänger eher asketisch wirkt. Marx kann den Trubel um seine Person genießen.
Wetter ließ ihn oft über sich ergehen.

Souverän zog Marx alle Register, die bei einem solchen Anlass geboten
sind: Er kündigte an, sich gesellschaftlich und politisch einmischen zu wollen, er gelobte, er werde die Anstrengung nicht scheuen, ein Münchner zu werden, und er verwahrte sich gegen jeden Personenkult, der im neuen Erzbischof die Botschaft erblicken würde - und nicht im Evangelium.

Nicht zu überhören waren mahnende Töne. Kardinal Wetter empfahl seinem Nachfolger, Geduld aufzubringen, um zunächst Land und Leute kennenzulernen. Der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich, selbst gebürtiger Westfale, bekannte, er habe erst lernen müssen, was "liberalitas bavariae" bedeute: Die Bayern seien offen für die, die kommen, ließen sich aber ungern sagen, wo es lang gehe.

Marx kommt zugute, dass er auf Leute zuzugehen weiß. Am Donnerstagabend wurde er beim Fasching im Erzbischöflichen Ordinariat gesichtet, bei dem die Angestellten ihre Oberen durch den Kakao ziehen. Dem Vernehmen nach blieb auch der neue Erzbischof nicht verschont. Seine kesse Behauptung, Bayern sei "nicht das gelobte Land", spießten die Narren lustvoll auf.

Vielleicht hat ihm der Festakt im Herkulessaal noch einmal vor Augen geführt, dass ihm da eine Herkulesaufgabe übertragen worden ist. Er soll ein ihm bisher unbekanntes, großes Erzbistum führen, dazu die Freisinger Bischofskonferenz, deren Mitglieder es zuletzt nicht leicht miteinander hatten. Mit einem energischen "Pack' ma's!" machte Marx den Gästen und sich selbst Mut.

Und vielleicht wartet auf ihn in zehn Tagen noch eine größere Aufgabe. Denn im Vorfeld der Frühjahrs-Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Würzburg wird er in den Medien als ein Favorit für die Nachfolge des aus Gesundheitsgründen zurücktretenden Vorsitzenden, Kardinal Karl Lehmann, gehandelt. In München sorgen sich nun manche, dass ihr neuer Erzbischof sich gleich zu Beginn mit einer solchen Doppelaufgabe, wenn sie denn auf ihn zukäme, übernehmen könnte.

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