Katholischer Sportverband fordert Konsequenzen für EM-Ausschreitungen

"Das zeugt von einer gewissen Verrohung"

Ausschreitungen, Rassismus, Missachtung der Corona-Regeln: Es lag einiges im Argen bei der EM. Die katholische Sportexpertin Ute Groth fordert die Verbände auf, sich mehr auf die Werte zu konzentrieren, zu denen sie sich verpflichtet haben.

Fans auf den Stufen der National Gallery am Trafalgar Square / © Ian West (dpa)
Fans auf den Stufen der National Gallery am Trafalgar Square / © Ian West ( dpa )

DOMRADIO.DE: Regenbogenflagge, Werbepartner und Coronaregeln: Bei der EM waren gefühlt viele Themen irgendwie größer als der Fußball, der auf dem Feld stattgefunden hat. Woran lag das?

Ute Groth (Vorsitzende des DJK Tusa 06 Düsseldorf):: Es sind ja eigentlich bedrückende Themen. Also wenn man sportliche Ereignisse sieht und man fröhlich zugucken soll und genau weiß, da lauert noch etwas im Hintergrund und man sieht die Menschen sich zusammenraufen, drücken und jubeln und alles in großer Nähe, dann hat man irgendwie andere Gedanken im Hinterkopf, wenn man zuschaut. Von daher ist das schon eine komische Atmosphäre gewesen.

DOMRADIO.DE: Auch die Fans haben ja ihren Teil zu den Diskussionen beigetragen. Die Fans der Engländer haben die gegnerische Mannschaft bei der Hymne beispielsweise ausgebuht und sind auch sonst nicht gerade durch sportliches Verhalten aufgefallen. Am Wochenende wurden die Spieler, die die Elfmeter verschossen haben, von Fans rassistisch beleidigt. Wie ordnen Sie das ein, sowohl auf sportlicher als auch auf einer gesellschaftlichen Ebene?

Groth: Also das zeugt eigentlich ein bisschen von einer gewissen Verrohung. Es gibt ja auch in Budapest ganz viele Vorfälle, die man da beobachten konnte. Im Grunde genommen gehört es zu einer sportlichen Auseinandersetzung dazu, dass die Zuschauer auch fair sind. Ich fand es auch schon schlimm genug, dass die Italiener beim Endspiel immer ausgebuht worden sind, wenn sie am Ball waren.

Eigentlich muss man die Leistung von allen Mannschaften neutral erst einmal anerkennen und dann kann man irgendwann mal jubeln, wenn ein Tor fällt oder so. Aber diese ganzen unmöglichen, rassistischen Äußerungen oder auch diese Buhrufe,  das zeugt von einer deutlichen Verrohung und da muss man eigentlich auch gegensteuern. Das ist nicht mehr schön.

DOMRADIO.DE: Was wären da Ihre Vorschläge für Konsequenzen?

Groth: Wenn sich mal alle Beteiligten einig wären -  und da spreche ich nicht nur von den Mannschaften, sondern auch von den Veranstaltern, nicht nur vor Ort, sondern auch die größeren wie die UEFA - dann müsste man sich darauf einigen können, dass, wenn sowas vorfällt, das Spiel einfach stillsteht und erst wieder angefangen wird, wenn Ruhe einkehrt.

Man kriegt es ja anders gar nicht in den Griff. Es gibt ja in den Stadien immer mal Ansagen von den Stadionsprechern: Hören Sie bitte auf, hier Pyros zu zünden. Aber es hört ja keiner auf. Und wenn da nicht mal irgendwann Konsequenzen folgen, dann geht es ja immer so weiter. Und mit den Äußerungen ist es genau das Gleiche.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie die UEFA schon angesprochen: "Es geht immer nur ums Geld", hat man in der Verbindung zur UEFA auch häufig gehört. Besonders, wenn wir uns nochmal die Tragödie vom Spiel Dänemark gegen Finnland anschauen. Denn das war eine sehr unschöne Situation mit dem Fall Christian Eriksen und da gab es Entscheidungen, die von jetzt auf gleich da getroffen werden mussten. Was hat das für ein Bild von der UEFA abgegeben?

Groth: Ich denke mal, dass da viele Sachen einfach auch ganz anders gehändelt hätten werden müssen. Da ging es ja nicht nur um die Verletzung, die wirklich lebensbedrohlich war. Ich finde, es geht auch immer um diese Geschichten mit den Kopfverletzungen. Da müsste es dann auch von den Verbänden Regelungen geben, die da ganz eindeutig sind: Wenn sowas passiert, dann ist die Gesundheit der Spieler erst mal im Vordergrund und nicht, dass das Spiel zu Ende geführt wird. Da muss immer erst der Mensch im Vordergrund stehen und nicht das, was drumherum passiert.

DOMRADIO.DE: Eigentlich soll es ja um den Sport gehen, um die Gemeinschaft und auch um den fairen Wettkampf. Glauben Sie, die EM hat das Bild von Fußball, von der UEFA auch nachhaltig geändert? Oder meinen Sie, wenn es dann nach Katar geht, dann werden trotzdem wieder alle mitfliegen oder den Fernseher einschalten und alles ist wie vorher?

Groth: Ich bin mir gar nicht so sicher, was da passiert. Jetzt kann ich mir gut vorstellen, dass viele ausgehungert waren, sowas wieder live zu sehen und dass deswegen auch solche Massen in die Stadien geströmt sind. Es hat ja lange nichts gegeben, wo man Fußball live gucken konnte. Aber wenn man das jetzt so aus der Distanz betrachtet oder auch vielleicht als Zuschauer, der da gewesen ist, dann muss man ja eigentlich sagen: Es war total unvernünftig. Die Atmosphäre war ja teilweise wegen dieser Rassismusgeschichten richtig aggressiv.

Und was die Arbeitsbedingungen in Katar angeht und die Menschenrechtsverletzungen, müssen wir nicht, wenn wir Werte auch vertreten wollen, uns da ganz anders aufstellen und auch gegebenenfalls sagen: "Nee, da machen wir nicht mit und gucken auch nicht und fahren auch nicht hin."?

DOMRADIO.DE: Was müsste denn "von oben" passieren, damit sich am großen System etwas ändert? Wer müsste da aktiv werden? Und gibt's da überhaupt eine Chance für?

Groth: Da müssten zunächst mal die Veranstalter aktiv werden. Und dann dürfte man diese Wettbewerbe nicht an Länder vergeben, wo bekannt ist, dass es da nicht demokratisch abläuft. Es wurde ja teilweise argumentiert: Wir bringen denen dann irgendwie so ein bisschen die demokratischen Gedanken quasi mit dem Sport mit. Aber das funktioniert ja nicht. Das hat noch nie funktioniert.

Und deswegen müsste man als Veranstalter, als Weltverband, als europäischer Verband oder auch als nationaler Verband ganz eindeutig diese Werte, die ja auch in den Satzungen drinstehen, vertreten. Und nicht nur reden, sondern auch wirklich so arbeiten und so ausführen, wie man es in den Satzungen stehen hat.

Das Interview führte Michelle Olion.


Ute Groth (DJK)
Ute Groth / ( DJK )
Quelle:
DR
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