Italien feiert EM-Sieg und die Squadra Azzurra

"Hier war die Hölle los"

Hupkonzerte und Freudengeschrei auf den Straßen: Nach dem EM-Sieg gegen England gab es in Rom kein Halten mehr. Neben dem sportlichen Erfolg ist der Titelgewinn für Mario Galgano aber auch ein positives Zeichen für die Gesellschaft.

Italienische Fans im Freudentaumel / © Mauro Scrobogna (dpa)
Italienische Fans im Freudentaumel / © Mauro Scrobogna ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was war bei Ihnen gestern Nacht in Rom los?

Mario Galgano (Redakteur bei Radio Vatikan): Ja, da kann man sagen, die Hölle war hier los. Ab Mitternacht - nach dem erfolgreichen Elfmeterschießen - gab es natürlich Lärm, Hupkonzerte, Freudengeschrei auf den Straßen. Ganz schön war das zu hören in allen Quartieren, allen Vierteln von Rom - auch im Monte Mario. Das ist ein Quartier, da liegt die Gemelli-Klinik, wo Papst Franziskus derzeit Patient ist. Also auch der hat das sicherlich mitbekommen, dass die Italiener gesiegt haben.

DOMRADIO.DE: Weiß man, ob der Papst auch ein bisschen geguckt hat?

Galgano: Das weiß ich jetzt nicht, aber ich kann mir das schon gut vorstellen, dass er das auch zusammen mit den Pflegern und Ärzten geschaut hat. Also das ist ja hier üblich in den Krankenhäusern, dass man da auch Fußball schaut und das kann ich mir durchaus vorstellen, dass das der Fall war.

DOMRADIO.DE: Fast so schön wie Fußball gucken, ist ja über Fußball reden. Über wen reden die Italiener denn heute? Wer sind die Helden? Torwart Donnarumma oder der Abwehr-Stratege Chiellini? Wer wird da herausgehoben?

Galgano: Ich glaube, am meisten wird nicht ein Spieler herausgehoben, sondern zwei andere Aspekte: Trainer Roberto Mancini und die Mannschaft als solche. Ich glaube, die Italiener haben es verstanden, dass der Sieg nicht durch einzelne Superstars zu gewinnen war, sondern durch die Mannschaft.

Das Team war eigentlich im Vordergrund und darum, glaube ich, sind jetzt meisten Italiener stolz, dass man eben als Mannschaft gewonnen hat und nicht mit irgendwelchen Superstars à la Cristiano Ronaldo oder Messi, sondern als Mannschaft - Dank eines guten Trainers wie Roberto Mancini.

DOMRADIO.DE: Und wie gehen die Zeitungen zum Beispiel mit den Engländern um, eher mit Häme oder ist da auch Respekt vorhanden?

Galgano: Nein, es ist schon Respekt dabei. Es gibt vielleicht einige Zeitungen, die ein bisschen scherzen und etwas Ironisches bringen. Aber die meisten dieser Zeitungen - wir haben ohnehin keine Boulevard-Zeitungen, wie im deutschen Sprachraum - sind da schon ziemlich seriös und schauen auf den eigenen Sieg und weniger auf die Niederlage des Gegners.

DOMRADIO.DE: Heute ist die italienische Mannschaft mit dem Pokal nach Rom zurückgekehrt. Wie war denn der Empfang?

Galgano: Natürlich sind sie mit Freude hier in Rom empfangen worden. Und es wird sicherlich in den nächsten Stunden noch mehr gefeiert auf den Straßen, wenn auch - ich muss sagen, weil wir jetzt natürlich in einer besonderen Zeit leben - natürlich mit Vorsicht. Die Vorsichtsmaßnahmen gelten ja trotzdem noch. Also da muss man jetzt ein bisschen schauen, wie man das hier in Rom irgendwie mit viel Publikum feiern kann.

DOMRADIO.DE: Meinen Sie, dass Papst Franziskus, wenn er sich nach seiner Darm-Operation wieder erholt hat, es sich nicht nehmen lässt, irgendwann mal die Squadra Azzurra auch im Vatikan zu empfangen?

Galgano: Das kann ich mir durchaus vorstellen, das ist ja oft so, dass die Fußballmannschaften - ob es jetzt Nationalmannschaften oder Privatvereine sind - Papst Franziskus besuchen. Er hat ja eine ganze Sammlung von Trikots, die auch in den Vatikanischen Museen ausgestellt werden. Das kann durchaus sein, und das wird sicherlich auch ein schöner Moment sein.

DOMRADIO.DE: Wie geht es denn jetzt weiter in Italien? Drehen sich die Italiener jetzt um und bereiten sich auf die Ferien am Meer vor? Oder meinen Sie, diese EM, dieser Sieg wird noch eine Weile mitschwingen und die Italiener glücklich machen?

Galgano: Das Mitschwingen ist, glaube ich, jetzt auch ganz wichtig. Erstens einmal, weil wir jetzt eine schwierige Zeit durchleben hier in Italien - natürlich weltweit, aber besonders in Italien - mit der gesamten Gesundheitskrise. Das gibt jetzt einen positiven Schwung in die ganze Gesellschaft.

Und damit verbunden sind ja natürlich die ganzen wirtschaftlichen Probleme, die es hier gibt. Das kann sicherlich etwas Positives einbringen, dass man mit Zuversicht in die Zukunft schauen kann. Man kann es sich als Beispiel nehmen, als Gemeinschaft vorwärts zu gehen und damit sozusagen Siege zu erringen.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Mario Galgano mit Schweizergardist (privat)
Mario Galgano mit Schweizergardist / ( privat )
Quelle:
DR