Was lernt die digitale Kirche von Corona?

"HomeChurching"

Online-Gottesdienste und WhatsApp-Predigten: Die Corona-Pandemie hat vieles ausgelöst, was man bis dato für unmöglich gehalten hatte. Was hat die Kirche aus dieser Ausnahmesituation für die Zukunft gelernt?

Gottesdienste, Anbetung oder Wallfahrten auch digital? / © thanasus (shutterstock)
Gottesdienste, Anbetung oder Wallfahrten auch digital? / © thanasus ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was haben Sie gedacht, als es hieß: Alle öffentlichen Gottesdienste sind gestrichen?

Prof. Dr. Rupert M. Scheule (Moraltheologe Universität Regensburg): “Wie jetzt?“ Das war mein erster Gedanke. Wir haben die größte Krise seit Jahrzehnten und wir melden uns einfach von der Bildfläche ab? Natürlich gab es an der Sinnhaftigkeit des Shutdowns nichts zu rütteln, aber, das muss ich schon sagen, mein erster Eindruck von “uns Kirchens“ in dieser Situation war kein guter. Es hat ein paar Tage gebraucht, bis wir uns sozusagen mit der Situation als Kirche arrangiert haben. Dann hat sich auch mein Eindruck verändert.

DOMRADIO.DE: Sie nennen digitale Seelsorge und Gottesdienste “HomeChurching“. Wie sah das bei Ihnen persönlich aus?

Scheule: Mein "HomeChurching" lief gewissermaßen auf zwei Kanälen. Einerseits saß ich auf dem Sofa mit dem Smartphone vor mir und sprach kurze Predigten “to go“ ein, die ich dann über die diversen WhatsApp-Gruppen unserer Gemeinde verschickt habe. Das machen andere übrigens auch. In der Stadtpfarrei Fulda lief das zum Beispiel ganz hervorragend. Später habe ich dazu dann noch einzelne kurze Predigt-Filmchen auf YouTube eingestellt.

Der andere Kanal war, dass ich als Familienvater natürlich auch die ganzen Onlineangebote genutzt habe, die auf einmal verfügbar waren. Ich erinnere mich an eine Anregung des Bistums Fulda zur Feier des Gründonnerstags mit Kindern. Unser heimisches “Agape-Mahl“, sage ich jetzt mal, das wir daraufhin organisiert haben, gehört für mich zum schönsten Familienerlebnis.

Vielleicht ist auch das etwas, das wir aus dieser Zeit mitnehmen können. Das war auch für viele Familien eine unglaublich dichte, wunderbare Zeit. Ich möchte nicht kleinreden, dass es da gelegentlich auch häusliche Gewalt gab, und all das, aber als Kirche muss uns schon auch interessieren, dass das für viele Familien eine große Zeit der neuen Nähe war.

DOMRADIO.DE: Neuer Wind für digitale Angebote in der Kirche also. Ist die Kirche da denn gut genug für aufgestellt?

Scheule: Da ist mein Bild ein gemischtes. Ich sehe natürlich überall das Bemühen, besonders in den letzten Wochen und Monaten. Mein Eindruck ist aber immer noch, als würden wir einen Verbrennungsmotor in eine Kutsche montieren. Irgendwie passt das noch nicht.

Es ist total abturnend, wenn Sie einen Priester in 15 Meter Entfernung sehen, der das Hochgebet mit der Webcam spricht. So kann das nicht sein. Wir müssen Maß nehmen an den guten Leuten, die sich jetzt im Netz äußern. YouTuber, Podcaster. Das ist etwas, das wir vielleicht noch lernen müssen. Aber ich sehe uns als Lerngemeinschaft auf einem guten Weg.

DOMRADIO.DE: Und jetzt gilt es, die Menschen vom Digitalen zurück in die Gotteshäuser zu bringen. Wie kann das denn gelingen?

Scheule: Aus meiner Sicht liegt die Zukunft der Eucharistiefeier definitiv nicht im Internet. Das wird nicht klappen. Sie brauchen hier handfeste Gemeinschaft, um echt Eucharistie erleben zu können. Wo diese Gemeinschaft da ist, also vor Ort, in den Gemeinden, da wird sich herumsprechen, dass es wieder diese Art Gottesdienste mit Nähe geben wird. Und dann werden die Menschen auch wieder kommen.

Ich glaube allerdings, dass wir zukünftig einen Mix bekommen werden. Die digitalen Angebote werden bleiben, da sollten wir auch nicht schlampen. Da sollten wir viel Hirnschmalz und Muße hereingeben, dass das auch gute Angebote sind. Zugleich sollten aber vom Erlebnis her echte Eucharistiefeiern ein wichtiger Teil bleiben.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Prof. Dr. Rupert Scheule  / © Dr. Tilman Becker (privat)
Prof. Dr. Rupert Scheule / © Dr. Tilman Becker ( privat )
Quelle:
DR
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