Was die orthodoxe Kirche auf Zypern so besonders macht

"Brücke zwischen Europa und dem Orient"

Das Christentum auf Zypern hat eine sehr lange Tradition und ist auch sehr vielfältig vertreten. Papst Franziskus ist also auch in ökumenischer Mission unterwegs. Was das bedeuten kann, weiß der orthodoxe Theologe Georgios Vlantis.

Der orthodoxe Erzbischof Chrysostomos II. begrüßt den Papst zum Treffen mit der Heiligen Synode / © Vatican Media (dpa)
Der orthodoxe Erzbischof Chrysostomos II. begrüßt den Papst zum Treffen mit der Heiligen Synode / © Vatican Media ( dpa )

DOMRADIO.DE: Orthodox ist nicht gleich orthodox. Was macht die Besonderheit der orthodoxen Kirche auf Zypern denn aus?

Georgios Vlantis (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern): Erstens würde ich sagen, dass die apostolischen Wurzeln etwas ganz bedeutendes sind. Heute hat der Papst noch einmal darauf aufmerksam gemacht. Diese Wurzeln sind auf die Apostel und großen Missionare Paulus, Markus und natürlich auch Barnabas zurückzuführen.

Zweitens ist die orthodoxe Kirche Zyperns eine autokephale, eine selbständige Kirche. Sie darf ohne Einmischung einer anderen, höheren kirchlichen Instanz selbst ihr Oberhaupt wählen. Da braucht man keine weitere Genehmigung. Und diesen Status hat sie seit dem Jahr 431.

Verliehen bekommen hat sie diesen Status vom Dritten Ökumenischen Konzil, was unsere Kirchen, die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche, eint. Und ich würde noch einen Punkt hinzufügen, was die Besonderheit dieser Kirche angeht, nämlich ihre spannende, durchaus abwechslungsreiche Geschichte.

Diese Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte auch nicht wenig gelitten, wegen der verschiedenen Herrscher dieser Insel. Die Wunden der Kreuzzüge, der lateinischen Herrschaft waren auch tief, weil die katholischen Herrscher von damals nicht ganz tolerant waren. Allerdings ist hier eine ganz wichtige Versöhnung erreicht worden.

Freilich möchte man auch nicht das heutige Leiden der Kirche übersehen. Das hat mit der Spaltung der Insel zu tun, mit dem Verlust, mit der Zerstörung, Enteignung und auch dem Diebstahl von religiösen Kulturschätzen nach der türkischen Invasion. Daran leidet aber nicht nur die orthodoxe Kirche.

DOMRADIO.DE: Es heißt, der zypriotischen Kirche komme eine Vorreiterrolle innerhalb der orthodoxen Kirche zu, was zum Beispiel das interreligiöse Gespräch angeht. Wie äußert sich das?

Vlantis: Ich weiß nicht, ob der Begriff Vorreiterrolle doch ein bisschen übertrieben wäre, weil die Verhältnisse dieser Kirche eher klein und bescheiden sind. Sicherlich aber auch fein, das muss man auch zugeben. Tatsächlich ist Zypern eine Insel mit einer besonderen konfessionellen und auch religiösen Buntheit.

Orthodoxe, Katholiken, Lateiner und Maroniten und auch andere kirchliche Gemeinschaften und religiöse Gemeinschaften sind auf der Insel präsent. Die Buntheit ist auch in der Kultur der Insel zu sehen, in der Mischung sehr unterschiedlicher Elemente. Zypern ist eine Brücke zwischen Europa und dem Orient, und man spürt hier schon den Geist des Nahen Ostens.

Und sie ist tatsächlich auch eine Werkstatt des Dialogs. Darauf ist auch der Papst in diesen Tagen bereits eingegangen. Ich glaube, dass die orthodoxe Kirche Zyperns eine dialogfähige und dialogwillige Kirche ist, sowohl im ökumenischen als auch im interreligiösen Kontext.

Sie ist Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen, der Konferenz der Europäischen Kirchen. Sie macht bei allen bilateralen Dialogen der Orthodoxie mit. Sie trägt die Beschlüsse des für die Orthodoxie wichtigen Konzils von Kreta. Sie ist auch in den letzten Jahren vor allem mit einer Herausforderung konfrontiert, die mit dem Einfluss ultrakonservativer Kreise - zum Teil importiert, würde ich sagen - zu tun hat.

Es gibt so Kreise, die sich als genuin orthodox stilisieren und stark antiorthodox gesinnt sind. Aber der Grundkurs der Kirche ist eine Richtung, die von Offenheit in Richtung anderer Konfessionen und Religionen spricht.

DOMRADIO.DE: Wie kann man jetzt den Besuch von Papst Franziskus auf Zypern bewerten? Welche Rolle spielt er?

Vlantis: Der Papst ist willkommen auf Zypern, wirklich willkommen! Die orthodoxe Kirche Zyperns pflegt gute Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche. Das hat nicht zuletzt auch mit dem mutigen Kurs des jetzigen Erzbischofs Chrysostomos II. zu tun. Papst Benedikt XVI. hat als erster Papst in der Geschichte bereits 2010 die Insel besucht.

Der Erzbischof von Zypern war auch im Vatikan. So sieht man auch heute darin ein sehr starkes ökumenisches Zeichen, dass der Papst nicht nur den Erzbischof, sondern auch die ganze heilige Synode der orthodoxen Kirche trifft. Natürlich möchte ich von vornherein auf Frustration erzeugende maximalistische Erwartungen verzichten.

Es gibt theologische Unterschiede zwischen den Katholiken und den Orthodoxen. Die sind nicht zu unterschätzen. Aber der Besuch des Papstes kann weiterhin zum Abbau von Ängsten beitragen, zu einem tieferen Kennenlernen und kann auch zur Zusammenarbeit ermutigen in allen Kontexten, wo dies möglich ist.

Also Flucht, Migration, Frieden, caritative Projekte, das Thema europäische Solidarität, interreligiöser Dialog. Das sind Themen, die durchaus auch ökumenische Themen sind und uns Orthodoxe und Katholiken miteinander verbinden. Und es freut mich, dass man diese Stichworte beim Besuch des Papstes bereits schon gehört hat.

DOMRADIO.DE: Franziskus sagte in Nikosia, die Kirche wolle bitte nicht vereinheitlichen, sondern mit mütterlicher Geduld integrieren. Ist das vielleicht ein programmatischer Satz für die weitere Entwicklung der Ökumene?

Vlantis: Diesen Satz hat der Papst in einem primär katholischen Kontext gesagt und in einem gewissen Zusammenhang zur weltweiten Synodalitäts-Debatte innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Und wir haben heute aus dem Mund des Papstes gehört, dass er sich auch orthodoxe Beiträge wünscht, weil die orthodoxe Kirche eine sehr stark synodale Kirche ist.

Mit einer Übertragung dieser Gedanken auf die Ökumene wäre ich ein bisschen vorsichtig. Natürlich kann man mit einem so abstrakten Satz alles verbinden, was man will und der Satz lädt zu einer Diskussion über Einheit und Vielfalt in der Kirche ein. Das ist auch wirklich eine Hauptaufgabe der Ökumene, nämlich: Wieviel Vielfalt ist akzeptabel? Wo sind die Grenzen der Einheit? Und was bedeutet mütterliche Geduld? Wer behält für sich die Deutungshoheit, die Rolle der Mutter, in der Kirche?

Ich glaube, dass sich hier die Antworten von Orthodoxen und Katholiken wenigstens zum Teil unterscheiden. Vor allem, wenn wir diese Diskussion auch mit den Befugnissen eines Papstes verbinden. Da sind die Antworten unterschiedlich.

Aber gerade deswegen diskutieren wir miteinander und das machen wir sehr gerne, würde ich sagen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR
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