Katholisches Zentralkomitee will 2022 mehr in die Gesellschaft wirken

Zurück in die Zivilgesellschaft

Die katholische Kirche dreht sich im Moment viel um sich selbst – auch beim Synodalen Weg. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken will das im kommenden Jahr ändern: Mit einem Umzug nach Berlin und in Zusammenarbeit mit der Regierung.

Logo des Zdk (Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo des Zdk (Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO. DE: Politik und Gesellschaft 2021, wie haben Sie das erlebt?

Marc Frings (Generalsekretär des Zentralkomitees Deutscher Katholiken): Es ist wichtig, auf die verschiedenen Dimensionen zu achten. Zu einem haben mit dem Wahlkampf eine ziemliche Polarisierung erlebt, zusätzlich zu dem, was wir coronabedingt erlebt haben. Ich bin froh, wie die Koalitionäre zueinandergefunden haben. Das war ein wichtiger Beitrag, um zu markieren: Politik ist in der Lage, Kräfte zu binden.

Zum anderen: Die Öffentlichkeit muss als Ort verteidigt werden, an dem wir gesamtgesellschaftlich akzeptierte Regeln nutzen sollten, um zu diskutieren und bitte auch zu streiten. Dieser Ort wird gerade massiv herausgefordert: durch Querdenker und andere Akteure. Die Öffentlichkeit muss weiterhin ein sicherer Ort bleiben, analog wie digital.

DOMRADIO. DE: Sie haben anfangs den Wahlkampf erwähnt. Welche Themen hätten da präsenter sein müssen?

Frings: Ich glaube, dass wir die großen Fragen, die auf dem Tisch lagen, doch recht unterkomplex diskutiert haben mit der Politik. Man fühlte sich doch als Wähler nicht herausgefordert. Auf die Fragen zur Nachhaltigkeit, zum Klima, die ja nicht nur allen Parteien unter den Nägeln brennen, sondern eben auch der Öffentlichkeit, gab es wenig konkrete Antworten. Es war doch ein großes Fokussieren auf eine vermeintliche Mitte der Gesellschaft. Ich glaube, dass die Parteien doch sehr zögerlich waren, den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln, was das für ein Preis hat, wenn man nachhaltiger leben will, wenn man den Klimawandel tatsächlich stoppen will. Hier wäre eine größere Auseinandersetzung wichtig gewesen.

Da stimmt mich jetzt der Koalitionsvertrag versöhnlicher, weil bestimmte Akteure und Gruppierungen, die insbesondere in der Corona-Pandemie besonders gelitten haben, viel stärker hätten in den Blick gerückt werden müssen. Das Thema Familie, Doppel- und Mehrfachbelastungen von Menschen, die für andere in der eigenen Familie und im Freundeskreis Verantwortung übernommen haben. Ich bin froh, dass ein Blick in den Koalitionsvertrag da doch noch mal zuversichtlicher stimmt.

DOMRADIO. DE: Das ZdK zieht bald nach Berlin. Heißt das auch, es wird in Zukunft noch politischer?

Frings: Das ist das Signal, das sich die ZdK-Vollversammlung 2019 selbst gesetzt hat: Zurück dorthin zu gehen, wo die Bundespolitik gestaltet wird. Das ist Berlin und nicht mehr Bonn. Wir haben kurz vor Weihnachten die Büros für diesen Umzug vorbereitet, der jetzt gerade vonstatten geht. Wir bereiten gerade auch konzeptionelle Neuerungen innerhalb des ZdK vor, um stärker mit der Politik, aber eben auch mit der Zivilgesellschaft in einen direkteren Austausch zu treten. Es geht darum, nicht nur näher bei der Politik zu sein, sondern auch zu schauen, wo die Akteure aus der Zivilgesellschaft sind, mit denen wir bestimmte Vorstellungen gesellschaftspolitischer Natur teilen.

DOMRADIO. DE: Die Kirchen scheinen da keine große Rolle mehr zu spielen.

Frings: Wir sehen jetzt gerade zum Jahresende die Statistiken auf uns zukommen. Wir wissen, dass wir als Kirchen immer weiter in eine Minderheitenposition kommen und vor strategischen Herausforderungen stehen. Das gilt nicht nur beim Laienkatholizismus sondern auch in der Amtskirche selbst. Hier braucht es neue Ansätze und ich glaube, dass es da nur gut und richtig ist, dass wir das mit einer gesunden Portion Demut von Berlin aus machen. Wir wissen natürlich, dass uns Berlin als Stadt eine skeptische und kritische Gesellschaft vor Augen führt, in der Kirche und Christen darauf achten müssen, noch gehört zu werden. Es ist wichtig, sich mit dieser Realität auseinanderzusetzen.

DOMRADIO. DE: Bei der Teilhabe von Frauen hat sich in diesem Jahr einiges getan. Die Caritas hat eine neue Präsidentin, die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Generalsekretärin und das ZdK hat auch eine weibliche Präsidentin. Ist das ein deutliches Zeichen für Veränderung in der katholischen Kirche?

Frings: Ich weiß nicht, ob es als Zeichen zu benennen ist. Es sind vor allem drei sehr kompetente Persönlichkeiten, die in diesen unterschiedlichen Institutionen wirken. Gilles bei der Deutschen Bischofskonferenz, Welskop-Deffaa bei der Caritas, Stetter-Karp als Präsidentin des ZdK. Das sind Persönlichkeiten, die sich viele, viele Jahre hauptamtlich, teils akademisch mit den kirchlichen Fragen, mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinandergesetzt haben und nun neue Einflusssphären betreten. Das ist wichtig.

Aber ich würde jetzt nicht dazu neigen, dass es hier darum geht, grundsätzlich Frauen vorzuschieben. Das erscheint mir als Argument doch zu gering. Wichtig ist, dass wir hier ein modernes Bild zeichnen. Damit kommt einher, dass wir eine inklusive Teilhabe ermöglichen müssen. Da ist an Frauen zu denken. Aber es geht natürlich auch darum zu schauen, wie wir insgesamt das bunte katholische Leben in Deutschland in all unseren Gremien abgebildet bekommen. Das gilt auch für die ZdK-Vollversammlung, das gilt für den Synodalen Weg und die Synodalversammlung. Überall dort gilt es auch abzubilden, wie sich das Leben, wie sich die Gesellschaft in Deutschland auch verändert haben.

DOMRADIO. DE: Mit welchem Gefühl blicken Sie auf den Synodalen Weg?

Frings: Ich bin zuversichtlich. Gerade nach der zweiten Synodalversammlung war es ein wichtiges Signal, mit starken Voten herauszugehen. Wir haben das erste knappe Dutzend Papiere besprechen können, natürlich unter erschwerten Rahmenbedingungen. Diese sogenannten Lesungen sind ein mühsames Geschäft und orientieren sich eng an Textarbeit. Ich glaube, dass es noch viel spannender wäre, die individuelle Perspektive stärker abzubilden. Denn es macht ja was mit den 230 Synodalen, die jetzt seit fast zwei Jahren dabei sind. Die überprüfen ihre eigenen Positionen, die kommen ins Wanken, die korrigieren sich selbst. Man merkt, dass es nicht nur ein inhaltlicher, sondern auch ein geistlicher Prozess ist, der im kommenden Jahr einen wichtigen Fortschritt machen wird und machen muss. Wir wissen, dass wir Anfang 2023 in nur noch drei Synodalversammlungen mit den großen Kapiteln durch sein müssen.

Was ich mir wünsche, ist ein viel stärkerer Blick auf die Inhalte. Ich merke doch, dass wir immer wieder auf der Metaebene landen. Wir sind immer wieder bei den Fragen: Wie verbindlich ist der Synodale Weg? Was passiert danach? Werden wir ernst genommen? Es kommt immer wieder der Vorwurf des Schismas. Ich würde viel, viel lieber auf die Chancen sehen.

DOMRADIO. DE: Die da wären?

Frings: Ich sehe die Chance, dass jene jungen Menschen sich stark beteiligen können, die sich um ein modernes Bild der Kirche bemühen. Ich sehe, dass wir uns mit der Rettung der Gemeinschaft der Gläubigen auseinandersetzen können. Es geht ja nicht nur um die institutionelle Zukunft der Kirche, sondern es geht darum, dass Glauben gelebt wird. Da sehe ich konkrete Inhalte, die noch viel schwerer zu vermitteln sind. Das ist klar etwas, was wir als Hausaufgabe weiter mitnehmen müssen. Wir müssen auf die guten Texte noch mal eingehen und die wirklich gut vermarkten, um deutlich zu machen: Es geht hier um etwas Verbindliches und es geht darum, Kirche mit der Gegenwart zu versöhnen.

DOMRADIO. DE: Was erhoffen Sie sich für die Kirche vom neuen Jahr?

Frings: Ich erhoffe mir für das nächste Jahr, dass wir vor allem auch mit nicht-kirchlichen Themen sichtbar werden. Wir haben im Moment wegen des Synodalen Wegs eine starke binnenkirchliche Fokussierung. Der Weg ist wichtig, weil es um grundsätzliche Zukunftsfragen der Kirche in Deutschland geht. Etwas, das natürlich auch noch mal vernetzt wird ab Ende des Jahres über die Weltbischofssynode zum Thema Synodalität. Aber es ist auch wichtig noch mal stark daran zu erinnern, dass gerade wir Laiinnen und Laien auch eine gesellschaftspolitische Mandatierung haben. Das gilt es noch viel stärker in den Blick zu nehmen, auch durch selbst bestimmte und gesetzte Themen.

Wir haben eine neue Regierung, der wir eine konstruktive Zusammenarbeit angeboten haben, bei EU-Fragen, in globalen Angelegenheiten, beim Klimaschutz. Das sind alles Themen, die uns auch als ZdK immer wieder beschäftigt haben. Insofern hoffe ich, dass wir hier eine gewisse Sichtbarkeit erzeugen.

In Stuttgart wollen wir im Mai 2022 den 102. Katholikentag durchführen. Wir sind da weiterhin sehr zuversichtlich unterwegs. Unter dem Leitwort "Leben teilen" wollen wir hier natürlich auch noch mal markieren, dass es diese zivilgesellschaftliche katholische Plattform gibt, um große Themen abseits von Corona und abseits von der innerkirchlichen Debatte in den Mittelpunkt zu rücken.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Marc Frings / © Harald Oppitz (KNA)
Marc Frings / © Harald Oppitz ( KNA )

Beate Gilles / © Sascha Steinbach (epa pool)
Beate Gilles / © Sascha Steinbach ( epa pool )

Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

Irme Stetter-Karp / © Harald Oppitz (KNA)
Irme Stetter-Karp / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
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