Katholikenkomitee bezieht traditionsreichen Standort in Berlin

Einst letzte Anlaufstelle für viele Juden

Gut 20 Jahre nach der Bundesregierung zieht auch das repräsentative Gremium der deutschen Laienkatholiken an die Spree. Die künftige Zentrale wird sich in einem Ort von zeitgeschichtlichem Rang befinden.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Die katholische Kirchengemeinde Herz Jesu, zukünftiger Sitz des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken / © Jannis Chavakis (KNA)
Die katholische Kirchengemeinde Herz Jesu, zukünftiger Sitz des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken / © Jannis Chavakis ( KNA )

Mit dem Wechsel von Bonn nach Berlin will das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) seinen bundespolitischen Einfluss stärken. Im Herzen der Hauptstadt hat das höchste repräsentative Gremium der katholische Laien in Deutschland dafür einen geschichtsträchtigen Standort gewählt.

Umzug im kommenden Jahr

Im kommenden Januar beziehen rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZdK die Räume der ehemaligen Katholischen Theresienschule im Bezirk Prenzlauer Berg. In dem Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Bau an der Schönhauser Allee 182, der zur katholischen Herz-Jesu-Gemeinde gehört, war das renommierte Mädchengymnasium bis zur Schließung 1941 durch die Nationalsozialisten untergebracht. Anschließend war es bis 1945 das "Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin".

Anlaufstelle für viele Juden

Hinter dem unverfänglichen Titel verbarg sich eine der wenigen katholischen Einrichtungen, die in der Zeit des Hitler-Regimes verfolgten Juden half. Eng verbunden ist dieses Engagement mit Margarete Sommer (1893-1965), die später von der israelischen Gedenkstätte Jad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wurde. Ab September 1941 stand die studierte Sozialarbeiterin als Geschäftsführerin an der Spitze des Hilfswerks, das der damalige Berliner Bischof Konrad von Preysing (1880-1950) im Jahr 1938 gegründet hatte.

Die Einrichtung sollte zunächst vor allem den zur katholischen Kirche übergetretenen Menschen jüdischer Herkunft helfen. Nach nationalsozialistischer Rassenideologie blieben sie ungeachtet ihres religiösen Bekenntnisses Juden. Unter den antisemitischen Repressionen hatten die im Jahr 1939 noch rund 4.000 Katholiken unter ihnen ebenso zu leiden wie alle anderen damals etwa 75.000 Berlinerinnen und Berlinern mit jüdischen Wurzeln.

Informationsquelle für katholische deutsche Bischöfe

Das Hilfswerk unterstützte sie bei Versuchen auszureisen, etwa im Rahmen von "Kindertransporten" nach England, und - als dies ab 1941 nicht mehr erlaubt war - mit Lebensmitteln, Bekleidung und Geld. In einigen Fällen gelang es Jüdinnen und Juden, mit Hilfe von Margarete Sommer und weiteren Helfern unter anderem in den Gebäuden der Herz-Jesu-Gemeinde "unterzutauchen", um der Deportation und Ermordung in den Vernichtungslagern zu entgehen. Dabei spielte immer weniger eine Rolle, ob die Hilfesuchenden katholisch waren oder nicht. 

Als sich die Dimension der Massenmorde abzeichnete, wurde das Hilfswerk auch zur Informationsquelle für die katholischen deutschen Bischöfe und bis in den Vatikan. So verfasste Margarete Sommer Mitte 1942 einen umfassenden Bericht unter anderem über die Lebensumstände in osteuropäischen Ghettos, den Bischof von Preysing per Kurier an Pius XII. sandte. Am eher zögerlichen Protest des Papstes gegen die Judenverfolgung änderte dies indes nichts.

Unterstützung in mindestens 120 namentlich bekannten Einzelfällen

So blieb es vor allem bei der Unterstützung in mindestens 120 namentlich bekannten Einzelfällen. Um einige jüdische Mädchen hatte sich zuvor auch die Theresienschule vor ihrer Schließung verdient gemacht und sie aufgenommen, als an staatlichen Schulen "Nicht-Arier" nicht mehr unterrichtet wurden.

Auch das vor 130 Jahren gegründete Mädchengymnasium, das 1991 aus Platzgründen nach Berlin-Weißensee umzog, gehört wie das Hilfswerk zu den Institutionen, die mit dem Sitz des künftigen ZdK-Generalsekretariates eng verbunden sind. Bis zur Wende von 1989/90 war es die einzige katholische Oberschule, die wegen eines Beschlusses der alliierten Siegermächte von 1946 in der DDR zugelassen war und dem Bildungsmonopol des SED-Regimes trotzte. Man darf gespannt sein, wie sich Deutschlands Laienkatholizismus zu diesen historischen Bezügen stellen wird.


Quelle:
KNA
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