DOMRADIO.DE: In der Türkei ging es auf der Papstreise von Leo XIV. unter anderem um die zukünftige Zusammenarbeit mit den orthodoxen Christen. Wird der Ostertermin bald verlegt?
Jürgen Erbacher (ZDF-Korrespondent und Theologe): Der Ostertermin ist schon lange eine schwierige Debatte zwischen dem Vatikan und den verschiedenen orthodoxen Kirchen. Man ist bestrebt, einen Termin zu finden. Aber ich glaube, das ist vor allem innerhalb der orthodoxen Kirche sehr schwierig. Das ist ein sehr schwieriger Dialog zwischen dem Patriarchat von Moskau und Bartholomaios I., dem Patriarchen von Konstantinopel.
Aber Papst Franziskus hat gesagt, dass wir zu einem gemeinsamen Termin kommen wollen. Leo wird das fortsetzen. Aber ich glaube, dass das dauert.
DOMRADIO.DE: Sie haben die großen Auftritte des Papstes auch im Libanon erlebt, von der Hafengedenkstätte bis zur großen Messe in Beirut vor über 150.000 Menschen. Wo hat Leo am stärksten gezeigt, welche Wirkung er auf die Leute hat?
Erbacher: In der Türkei habe ich einen eher angespannt wirkenden Leo erlebt, der sich ein bisschen zurückgenommen hat. Das hing vielleicht auch ein wenig damit zusammen, dass die politische Lage für die Christen in der Türkei nicht einfach ist. In der Ökumene ist es auch schwierig. Da muss man genau aufpassen, dass man da nichts Falsches tut – nicht falsch guckt oder sonst irgendwas Falsches macht.
Im Libanon ist er in den vergangenen zwei Tagen ein bisschen aufgetaut. Man hat plötzlich gemerkt, dass er die Reden lebt – wenn ich das so ausdrücken kann. Es war für mich ganz interessant zu sehen, wie viele Emotionen er in die Reden gelegt hat. Im Libanon waren die Straßen von Menschen gesäumt, die große Hoffnungen in diesen Papst haben. Ich glaube, das hat ihn befreit.
Am Dienstag hat es von Leo eindringliche Friedensappelle gegeben. Am Ende des Gottesdienstes hat er jenseits des vorgesehenen Programms gesagt, dass wir hier im Nahen Osten neue Denkmuster brauchen und wir anders rangehen müssen. Die Vergangenheit hat gezeigt: Waffengewalt bringt nichts. Da ist er plötzlich sehr leidenschaftlich geworden. Das war interessant zu sehen. Vielleicht hat er auch ein bisschen gemerkt, dass er etwas bewirken kann, wenn er ein wenig aus sich rausgeht, wofür er eigentlich nicht so der Typ ist.
DOMRADIO.DE: Wie hat Papst Leo während seiner Auslandsreise persönlich auf Sie gewirkt? Sie waren ja hautnah dabei.
Erbacher: Auf dem Hinweg habe ich ihm eine Frage gestellt. Darauf hat er geantwortet, dass er sich das überlegen müsse, was ich überraschend fand. Bei der nächsten Pressekonferenz hat er dann die Antwort gegeben. Er hat gesagt: "Mich hat da ein deutscher Journalist gefragt, welches Buch man lesen muss, um mich ein bisschen zu verstehen – jenseits von Augustinus." Wenn man ihn verstehen wolle, dann solle man - 'The Practice of the Presence of God' von Brother Lawrence - ein kleines, altes Büchlein lesen.
Papst Leo ist verbindlich. Er hat viele Dinge schon sehr genau im Blick. Er weiß, was er will. Wir haben gelernt, dass er ein ganz anderer Typ als Franziskus ist. Er ist sehr bedacht, höflich, hat aber auch klare Botschaften.
Das Interview führte Carsten Döpp.