Warum verzichtete Papst Leo XIV. auf ein Gebet in Blauer Moschee?

"Zeichen des Respekts gegenüber dem Islam"

Benedikt XVI. und Franziskus haben es getan, aber Leo XIV. hat auf ein stilles Gebet in einer Moschee verzichtet. Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide ordnet die Entscheidung von Leo ein und erkennt darin Respekt für den Islam.

Autor/in:
Roland Müller
Papst Leo XIV. in der Blauen Moschee / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Leo XIV. in der Blauen Moschee / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. hat am Samstag bei seinem Besuch in der Blauen Moschee in Istanbul – anders als seine Vorgänger bei ähnlichen Gelegenheiten – kein (stilles) Gebet gesprochen. Wie ordnen Sie diese Entscheidung ein?

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster): Es sind keine Informationen dazu bekannt, ob es im Vorfeld des Besuchs von Papst Leo XIV. in der Blauen Moschee Gespräche oder einen Austausch darüber gab, ob ein Gebet erwünscht gewesen wäre. Deshalb ist eine klare Einordnung von Leos Entscheidung nicht möglich. Aber ich bekomme mit, dass sein Verzicht auf ein Gebet als ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Islam wahrgenommen wird. Womöglich wollte das Kirchenoberhaupt niemanden provozieren. 

Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster / © Lars Berg (KNA)
Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster / © Lars Berg ( KNA )

DOMRADIO.DE: Handelt es sich bei der Entscheidung Leos, auf ein Gebet zu verzichten, also nicht um einen Dämpfer für den Dialog zwischen der katholischen Kirche und dem Islam? 

Khorchide: Es ist mit Sicherheit kein Dämpfer für den Dialog – davon kann keine Rede sein. Vielmehr möchte ich den vermuteten Willen des Papstes herausstellen, Respekt für den Islam zu zeigen. Dadurch, dass seine erste Auslandsreise in die Türkei und in den Libanon – zwei mehrheitlich muslimische Länder – geht, steht auf jeden Fall fest, dass der Papst ein ganz starkes Symbol für den interreligiösen Dialog in die Welt senden wollte.

Mouhanad Khorchide

"Die traditionelle islamische Theologie sieht überhaupt kein Problem darin, dass Nicht-Muslime eine Moschee besuchen."

DOMRADIO.DE: Wie wurde es in der islamischen Welt aufgenommen, als Papst Benedikt 2006 und auch Papst Franziskus 2014 (ebenfalls in der Türkei) bei Besuchen in Moscheen zum Gebet verharrten? Franziskus machte dabei sogar mit den Händen eine Gebetsgeste.

Khorchide: In der islamischen Welt wurde es im Großen und Ganzen wohlwollend gesehen, dass Benedikt XVI. und Franziskus in einer Moschee gebetet haben. Ihre Gebete wurden nur von islamistischen Fundamentalisten kritisiert, die grundsätzlich gegen den Besuch eines Papstes in einer Moschee sind. Ihrer Ansicht nach steht der Papst an der Spitze einer häretischen Religion. Allgemein gelten diesen Fundamentalisten alle Nicht-Muslime als unrein, weshalb sie sich von einer Moschee fernzuhalten hätten. Ich war 2019 beim Besuch von Papst Franziskus in Abu Dhabi dabei und erinnere mich an die Proteste der Islamisten damals, die den anderen Muslimen einen Verrat am Islam vorwarfen.

DOMRADIO.DE: Wie ist es generell: Sind Angehörige anderer Religionen als Gäste in Moscheen willkommen und ist es angebracht, dort ein Gebet zu sprechen?

Khorchide: Die traditionelle islamische Theologie sieht überhaupt kein Problem darin, dass Nicht-Muslime eine Moschee besuchen. Sie dürfen auch in einer Moschee beten. Das wird mit einer Erzählung aus der Zeit des Propheten Mohammed begründet. Damals kam eine christliche Delegation zu ihm in seine Moschee nach Medina. Als die Zeit des Gebets kam, teilte man sich die Moschee: Die Muslime beteten in einem Teil des Gebäudes, die Christen im anderen Teil. Das war gar kein Problem.

Der em. Papst Benedikt XVI besucht 2006 die Blaue Moschee in Istanbul  / © Patrick Hertzog/EPA-Pool/ (dpa)
Der em. Papst Benedikt XVI besucht 2006 die Blaue Moschee in Istanbul / © Patrick Hertzog/EPA-Pool/ ( dpa )
Papst Benedikt XVI. besuchte 2006 die Blaue Moschee in Istanbul

DOMRADIO.DE: Wie könnte so ein Gebet in einer Moschee aussehen? Ist auch ein Kreuzzeichen möglich, wie es Katholiken machen?

Khorchide: Optimal wäre sicherlich ein stilles Gebet. Denn so gibt es keine Gesten oder Symbole, die falsch interpretiert werden könnten. Ein Kreuzzeichen in einer Moschee würde auf viele Muslime sehr provokant wirken. Theologisch wäre es in Ordnung, weil Christen nun einmal auf diese Weise beten und Muslime auf eine andere Weise beten. Trotzdem würde ich empfehlen, aus Respekt und Rücksicht auf viele Muslime auf ein Kreuzzeichen zu verzichten. Außerdem ist es so, dass Islamisten auf eine solche Geste geradezu warten, um sie für Polarisierungen zu nutzen, nach dem Motto: Schaut, die Christen okkupieren unsere eigenen Moscheen, indem sie dort beten. 

Ich muss bei diesem Thema an eine Erzählung aus der Zeit des zweiten Kalifen Omar denken, aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts, als die Muslime zum ersten Mal Jerusalem erobert haben. Im Jahr 638 ordnete der Kalif an, dass die Muslime nicht in der Grabeskirche beten dürften. Er hatte die Befürchtung, dass diese für die Christen so bedeutende Kirche von einigen als Moschee beansprucht würde. Deshalb mussten die Muslime dort außerhalb der Grabeskirche beten. Die Kirche sollte den Christen gelassen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass der Papst mit seinem Verzicht auf ein Gebet ein ähnliches Zeichen setzen wollte – ein Zeichen des konstruktiven und nachhaltigen Dialogs. 

Das Interview führte Roland Müller.

Papstreise in die Türkei und den Libanon

Am 27. November wird Leo XIV. zu seiner ersten Apostolischen Reise aufbrechen. Vatican News überträgt live und mit deutschem Kommentar – auf DOMRADIO.DE. Ein Überblick.

Donnerstag, 27. November 2025

15.20 Uhr: Treffen mit Behördenvertretern, Zivilgesellschaft und dem diplomatischen Korps im Präsidentenpalast

Freitag, 28. November 2025

9.20 Uhr: Gebetstreffen mit Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Pastoralarbeitern in der Heilig-Geist-Kathedrale

Papstreise
Papstreise
Quelle:
DR

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