Vatikanexperte betrachtet Geschichte der Papstreisen in den Libanon

Kurzaufenthalte und besondere Verbundenheit

Papst Leo XIV. ist auf seiner ersten Auslandsreise unterwegs. Nach seinem Besuch in der Türkei wird er im Libanon erwartet. Vatikanexperte Ulrich Nersinger wirft einen Blick auf die Geschichte päpstlicher Reisen in den Libanon.

Autor/in:
Bernd Hamer
Plakat mit einem Abbild von Papst Leo XIV. am 27. November 2025 an einer Straße in Beirut im Libanon / © Andrea Krogmann (KNA)
Plakat mit einem Abbild von Papst Leo XIV. am 27. November 2025 an einer Straße in Beirut im Libanon / © Andrea Krogmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wer war eigentlich der erste Papst, der den Libanon besucht hat? 

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Viele denken, es sei Johannes Paul II. gewesen, aber das stimmt nicht. Der erste Papst, der den Libanon besuchte, war Paul VI. Es war ein sehr außergewöhnlicher Besuch, eigentlich nur eine Zwischenlandung. Papst Paul VI. war 1964 unterwegs zu einer Apostolischen Reise nach Asien. 

Bei diesem langen Flug hat er eine Zwischenlandung in Beirut gemacht. Und diese kurze Zeit hat er voll ausgenutzt. Er ist mit den religiösen und weltlichen Autoritäten zusammengetroffen. Auf dem Flugplatz war eine riesige Menschenmenge, auf den Terrassen sah man gläubige Christen und Muslime. Das hat er genutzt, um seine Wertschätzung und seine besondere Verbundenheit mit dem Libanon hervorzuheben. Der Libanon ist ja ein Land, das zu 50 Prozent aus Christen und Muslimen besteht. 

DOMRADIO.DE: Der zweite Papst, der den Libanon besucht hat, war dann Papst Johannes Paul II., der immerhin 36 Stunden dort war. Wie hat er diese Zeit genutzt? 

Nersinger: Auch er hat die Zeit voll ausgenutzt. Er hat auch betont, dass der Libanon für ihn nicht nur ein Land, sondern ein Programm ist, weil es dort offiziell ein friedliches Zusammenleben der Religionen gibt und das Land zumindest offiziell von Toleranz geprägt ist. Das hat ihm für den ganzen Nahen Osten etwas Hoffnung gegeben, und das hat er natürlich dann auch bei diesem kurzen Aufenthalt genutzt. 

DOMRADIO.DE: Der letzte Papst, der vor Leo XIV. den Libanon besucht hat, war Benedikt XVI. In was für einer Mission war er damals unterwegs? 

Nersinger: Ich denke, er sah sich vor allen Dingen in der Tradition seiner Vorgänger, den Libanon nicht nur als ein Land, sondern als ein Programm zu sehen. Das war ihm sehr wichtig. Das war auch deshalb wichtig, weil der Papst ja bei seiner Regensburger Rede so missverstanden worden ist und das in der arabischen Welt immer noch nachklang. 

Friedensbote im Libanon - Benedikt XVI. (KNA)
Friedensbote im Libanon - Benedikt XVI. / ( KNA )

Da wollte er Zeichen setzen, und das war ihm ein großes Anliegen. Man muss auch bedenken, dass es seine letzte Auslandsreise gewesen ist. Das war ihm, glaube ich, sehr wichtig, das zu machen, und er hat es eigentlich ganz gut gemacht, denke ich.

DOMRADIO.DE: Bei Papstreisen in den Libanon ging es in der Regel weniger um Kultur, sondern eher um schlimme Krisen in der Welt, oder? 

Nersinger: Es war immer ein Krisenzentrum. Man muss bedenken: Rund um den Libanon war der Syrienkrieg, der immer schlimmer wurde und auch in den Libanon hinübergriff. Auch im Libanon selbst gab es kriegsähnliche Zustände und Bürgerkriegszustände. Das ist also ein sehr schwieriges Terrain gewesen, auf dem die Päpste aufgetaucht sind. Es war ihnen allen wichtig, zu zeigen, dass das nicht die Normalität sein sollte.

Ulrich Nersinger

"Wenn ein Papst eine Apostolische Reise unternimmt, dann unternimmt er sie ja nicht nur als Oberhaupt der Kirche, sondern auch als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates."

DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. ist auf seiner ersten Auslandsreise. Sie haben die Reise bislang mitverfolgt. Was haben Sie für einen Eindruck davon, wie sich der Papst auf dieser Reise präsentiert? 

Nersinger: Das ist nicht ganz einfach zu definieren. Wenn ein Papst eine Apostolische Reise unternimmt, dann unternimmt er sie ja nicht nur als Oberhaupt der Kirche, sondern auch als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates. Da ist er natürlich gefordert. Und er ist jetzt besonders gefordert, weil die Türkei und der Libanon Staaten sind, in denen eine sehr große Sensibilität erforderlich ist. Da versucht er, wirklich hervorragend zu agieren. 

Manches kann man noch nicht so hundertprozentig deuten, und ich denke, man sollte sich auch bei der Deutung noch etwas zurückhalten. Wir sollten nicht in die Fallen der Yellow Press verfallen, und jeden Mundwinkel eines Patriarchen und jeden Augenkontakt bewerten. Das gilt auch für alles, was der Papst trägt und was er nicht trägt. Man sollte sich da etwas hüten, da zu Kaffeesatzlesern zu werden, sondern man muss das noch wirken lassen. Man kann das später analysieren. Ich denke aber, der Papst hat einen guten Job gemacht. 

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR

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