DOMRADIO.DE: Der Vatikan hat die Paare viel früher für sich entdeckt als die Blumenbranche, nämlich schon im 19. Jahrhundert. Was war da los?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Im 19. Jahrhundert endete der alte Kirchenstaat und zu der Zeit gab es noch relativ viele päpstliche Soldaten. Sie sind nach 1870 mit ihren Ehefrauen oder Bräuten nach Rom gekommen, und der Papst hat sie häufig empfangen. Das war im Pontifikat Pius IX. und ist im Grunde der Beginn dieser engen Beziehung der Päpste zu den katholischen Brautpaaren. Wie es in den weiteren Pontifikaten gewesen ist, können wir nicht genau sagen. Aber ein besonderes Jahr, in dem sozusagen ein Boom eingeleitet wurde, war das Jahr 1932.
DOMRADIO.DE: Wie kam das?
Nersinger: Das ist eigentlich eine sehr kuriose Geschichte: Damals wollte der faschistische Ministerpräsident Italiens, Benito Mussolini, unbedingt Rom und seine eigene Person stärker herausstellen. Er hat italienischen Brautpaaren ermöglicht, unglaublich preiswert nach Rom zu kommen, indem er die Preise der Bahnfahrten so stark reduzierte, dass die meisten Brautpaare darin eine fast kostenlose Hochzeitsreise sahen. Und dann ist der Vatikan, im wahrsten Sinne des Wortes, auf diesen Zug aufgesprungen.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich das weiterentwickelt? Heutzutage gibt es sogar eine inoffizielle Hochzeitskapelle im Vatikan. Was ist das für eine?
Nersinger: Unter Pius XI. und Pius XII. hat es noch großartige Brautaudienzen gegeben. Besonders unter Pius XII. Damals sind auch sehr viele deutsche Ehepaare hingefahren, und der Papst hat noch wenige Tage vor seinem Tod Ehepaare empfangen.
Die inoffizielle Brautkirche ist Santo Stefano degli Abissini. Das ist eine kleine Kirche, die wir in der Vatikanstadt finden. Eigentlich ist sie für das äthiopische Kolleg gedacht. Aber sie hat sich mehr oder weniger zu einer Kirche für Eheschließungen entwickelt. Hauptsächlich für Schweizergardisten, die dort heiraten – da gibt es eine ganze Reihe von Eheschließungen. Aber auch beispielsweise Mitglieder des Hauses Windsor, die zum Katholizismus übergetreten sind, haben dort ihre Ehe geschlossen. 2006 war es Lord Nicholas Windsor, der Sohn des Herzogs und der Herzogin von Kent.
DOMRADIO.DE: Aber es sind auch nicht alle Brautpaare dort willkommen. Im letzten Herbst heirateten zwei Mitarbeiter aus der Vatikanbank und verloren ihren Job. Sie waren keine Kleriker. Wie passt das zusammen?
Nersinger: Das ist gerade bei der Vatikanbank ein heikles Thema. In bestimmten Behörden will man nicht, dass eine Frau und ein Mann dort heiraten, weil kein Verdacht der Korruption oder einer Zusammenarbeit mit äußeren Quellen, mit einer Zeitung oder ähnlichem, auftauchen soll. Innerhalb eines Dikasteriums oder einer vatikanischen Behörde wird das nicht gern gesehen. Aber soweit ich weiß, gibt es da mittlerweile Ausnahmen. Das wird man noch näher verfolgen müssen.
DOMRADIO.DE: Noch etwas Kurioses: Wenn eine vatikanische Staatsbürgerin heiratet, dann verliert sie automatisch mit der Heirat ihre Staatsbürgerschaft. Ist das so?
Nersinger: Ja, das vatikanische Staatsbürgerschaftsrecht ist ein sehr seltsames. Eigentlich wird man nicht durch Geburt vatikanischer Staatsbürger, sondern durch ein Amt. Aber es gibt natürlich Ausnahmen. Wenn zum Beispiel vatikanische Staatsbürger Laien sind, die im Vatikan arbeiten, und nach ihrer Hochzeit Kinder haben, können diese Kinder die Staatsbürgerschaft bekommen. Und es gilt eigentlich die alte Regel, dass die männlichen Kinder mit der Volljährigkeit die Staatsbürgerschaft verlieren, also die italienische oder eine andere bekommen.

Die Mädchen haben aber das Glück oder das Pech, die vatikanische Staatsbürgerschaft zu behalten, bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie eine Ehe eingehen. Aber natürlich gibt es auch da die Möglichkeit, wenn die Betreffenden weiter in bestimmten Positionen im vatikanischen Dienst sind, dass sie die Staatsbürgerschaft wieder erwerben.
DOMRADIO.DE: Wie hält es Papst Franziskus mit dem Wertschätzen von Brautpaaren?
Nersinger: Wir sehen ja die alte Praxis der letzten Pontifikate, dass es extra Abschnitte im Audienzsaal gibt, die den Brautpaaren vorbehalten sind, dass sie an exponierter Stelle aufgestellt werden und dass er mit ihnen spricht, sie eigens empfängt und begrüßt. Das ist eine Sache, die sich gehalten hat und die der Papst weiterführt.
DOMRADIO.DE: Wird der Valentinstag am Freitag für einen besonderen Segen genutzt?
Nersinger: Da bin ich mir nicht sicher. Der Valentinstag hat sich in manchen Ländern nicht so durchgesetzt, wie uns das gezeigt wird. Ich denke, auch hier in Deutschland ist das ein wenig zurückgegangen. Früher wurde auch viel mehr im Fernsehen oder in den Medien dafür geworben. Mir scheint das ein bisschen zurückgegangen zu sein.
Das Interview führte Carsten Döpp.