DOMRADIO.DE: Am 22. August 1241 wurden die Kardinäle für eine Papstwahl zum ersten Mal eingesperrt, um einen Papst zu wählen. Warum war das eigentlich so?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Es war eigentlich nicht das erste Konklave. Schon Jahre zuvor wurden in Perugia die Kardinäle eingeschlossen, aber das war relativ harmlos und nicht sehr aufregend. Anders war es im Jahr 1241. Das war wirklich eine dramatische Situation, mit Schrecken für die Kardinäle und mit Schrecken für die Kirche.
DOMRADIO.DE: Es waren damals nur zehn Kardinäle. Wo und wie waren die denn untergebracht?
Nersinger: Die waren in einer antiken Ruine, im Septizonium, untergebracht. Das warein Bauwerk, eigentlich ein Prachtbau, aus dem dritten Jahrhundert, der aber völlig zerfallen war, also wirklich nur noch eine Ruine war.
Man hat die Kardinäle dort eingesperrt – vielmehr hat der Senator von Rom, ein Mitglied der Familie Orsini, sie dort festgesetzt –, um die Wahl zu beschleunigen. Denn erstens hatten die römischen Adelsfamilien ein Interesse an einer schnellen Papstwahl und vor allen Dingen drohte der römisch-deutsche Kaiser auf Rom zu ziehen. Und man wollte da auf jeden Fall eine Einflussnahme des Kaisers verhindern.
DOMRADIO.DE: Die Kardinäle hatten nur Brackwasser zur Verfügung. Sie mussten ihre Notdurft vor aller Augen machen. Die Fäkalien wurden nicht entfernt, sondern blieben in dem Raum drinnen.
Sie hatten Wächter, die äußerst brutal waren, die sie sogar mit Schlägen versahen. Die hielten oben auf dem Dach Wache und urinierten durch Ritzen und Spalten auf die Kardinäle. Das waren die denkbar unwürdigsten Verhältnisse.
Und dann war der Druck auf die Kardinäle hoch, die nicht wussten, wem sollen sie jetzt ihre Stimme geben, um sowohl dem römischen Volk als auch dem römisch-deutschen Kaiser und vor allen Dingen ihrem Gewissen zu folgen.
DOMRADIO.DE: Trotzdem gab es dann einen neuen Papst. Wie ist diese Wahl tatsächlich zustande gekommen?
Nersinger: Sie ist unter dem Druck zustande gekommen, aber so, dass der gewählte Papst nicht lange überlebte. Und dann haben die Kardinäle die einzige Möglichkeit ergriffen, die sie sahen: sie sind geflüchtet.
DOMRADIO.DE: Aber die Rahmenbedingungen außerhalb waren, gelinde gesagt, auch eine Zumutung.
Nersinger: Ja, das ganze Umfeld war eine Belastung für die Kardinäle. Das kann man sich nicht vorstellen, wenn man bedenkt, dass das Konklave von 1271 in Viterbo relativ harmlos verlief. Auch da wurden die Kardinäle eingeschlossen, auch da kamen sie zunächst nicht zu einer Wahl. Und dann kam man auf eine Idee, eigentlich durch einen Kardinal, der laut ausgerufen hatte: "Macht doch das Dach ab, dann kommt der Heilige Geist zumindest zu uns".
Das haben die Bürger und der Bürgermeister von Viterbo mitbekommen und man entfernte das Dach. Der neu gewählte Papst legte dann 1275 das Konklave als Norm fest – unter Bedingungen, die schon menschenwürdig waren.
DOMRADIO.DE: Was hat sich dann verändert ab diesem Konklave?
Nersinger: Man behielt die strenge Abgeschlossenheit bei, achtete aber darauf, dass die Kardinäle würdig untergebracht waren und menschlich behandelt wurden. Das waren Voraussetzungen, die man auch in den folgenden Jahrhunderten – im Großen und Ganzen – immer beibehalten hat.
Das Interview führte Döpp.