UNICEF Deutschland verliert Spendensiegel - "Dieses Urteil trifft uns hart"

Schuss vor den Bug

Das deutsche UNICEF-Komitee verliert das Spendensiegel. Zur Begründung teilte das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) am Mittwoch mit, dass UNICEF Provisionszahlungen an Spendenwerber seit 2005 trotz entsprechender Fragen verschwiegen habe. Diese Zahlungen verstießen gegen die Standards, die für die Verleihung des Spendensiegels angelegt würden. Das Instituts empfahl, die Management-, Leitungs- und Aufsichtsstruktur durchgreifend zu verbessern. "Wir werden uns jetzt alle um mehr Transparenz bemühen müssen", so Dr. Oliver Müller, Leiter von Caritas International im domradio-Interview.

 (DR)

Das deutsche UNICEF-Komitee ist seit Monaten mit Vorwürfen konfrontiert, Spenden durch überhöhte Honorare an externe Berater verschleudert zu haben. Nach der Vorsitzenden Heide Simonis trat der langjährige Geschäftsführer Dietrich Garlichs zurück. Der gesamte Vorstand will bis zu Neuwahlen am 10. April amtieren. Wegen der Vorwürfe hatte das DZI eine Nachprüfung bei UNICEF angekündigt.

Die Aberkennung des Spendensiegels sei erst nach sorgfältiger Prüfung erfolgt, sagte DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke. Zunächst habe man erwogen, darauf zu verzichten. "In Anbetracht der in den vergangenen Wochen zu Tage getretenen und entstandenen gravierenden Leitungs-,
Aufsichts- und Managementmängel und des unzureichenden Auskunftsverhaltens bei UNICEF" sei für das DZI aber der Entzug des Spendensiegels unumgänglich gewesen.

UNICEF kann das Siegel nun frühestens nach Ablauf eines vollständigen Geschäftsjahres erneut beantragen. Mit dem Gütezeichen des DZI sind derzeit 230 Spendenorganisationen ausgezeichnet, die insgesamt rund
1,4 Milliarden Euro jährlich für Hilfsprojekte einwerben.

"Meine Befürchtung ist, dass die Arbeit seriöser Organisationen, zu der UNICEF ja auch gehört, insgesamt ins Zwielicht gerückt wird", so Dr. Oliver Müller im domradio-Interview. Insgesamt sei diese Entwicklung auch für andere Hilfsorganisationen negativ zu betrachten. "Wir werden alle große Bemühungen um mehr Transparenz entfalten müssen, um das allgemeine Vertrauen der Spender zurückzugewinnen."

Das Siegel sei vor allem ein Zeichen der Seriösität im Hinblick auf Verwendung und Verwaltung eingehender Mittel, erklärt Müller. "Die Spender müssen letztendlich das Gefühl haben, dass ihre Spende bei einem Hilfswerk gut angesiedelt ist." Vor diesem Hintergrund sei die Aberkennung des Siegels für UNICEF ein "konsequenter Schritt" des DZI, sagt Müller. "Das wird sicherlich dazu führen, dass ein Spender sich in Zukunft stärker Gedanken machen wird, wem er spendet", so Müller weiter. Das Spendensiegel des DZI könne jedoch nur eingeschränkt darüber Auskunft geben, wie effektiv die Arbeit einer Organisation vor Ort ist. "Wir werden geprüft, wie wir in Deutschland mit den Spendengeldern umgehen. Die Arbeit in den Wiederaufbau - und Katastrophenhilfsprojekten ist davon erstmal nicht erfasst", erklärt Müller. "Da muss sich jeder Spender durch die Medien ein eigenes Urteil bilden."

Das Qualitätszertifikat, das auch zur Werbung eingesetzt wird, muss jedes Jahr neu beantragt werden. Das DZI prüft dann interne, freiwillig zur Verfügung gestellte Unterlagen der Organisationen. Durchschnittlich werden 30 Prozent der Erstanträge für ein Spendensiegel abgelehnt, so Wilke.

Das DZI kündigte zugleich eine Verschärfung seiner Vergabekriterien für das Spendensiegel an. Dabei soll vor allem auf mehr Transparenz etwa durch detailliertere Vorgaben für die Veröffentlichung von Jahresberichten geachtet werden.

Der Interimsvorsitzende von UNICEF Deutschland Reinhard Schlagintweit äußerte sich am Mittwoch zur Aberkennung des Spendensiegels: "Dieses Urteil trifft uns hart. Damit hatten wir nicht gerechnet. Umso mehr soll uns die Entscheidung Anlass sein, mit allen Kräften an die Reform unserer Arbeit und unserer Strukturen zu gehen. Wir wissen, dass schwere Fehler gemacht wurden. Die Punkte, die vom DZI kritisiert werden, sind jedoch Ausnahmefälle. Diese Ausnahmen stehen bereits im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Wir sind schon dabei, aus den Fehlern zu lernen und unsere Arbeitsweise neu zu strukturieren. UNICEF arbeitet insgesamt sorgfältig und verantwortungsvoll. Wir tun alles dafür, dass solche Fehler in Zukunft nicht mehr vorkommen."