Auch das Spendensiegel-Institut lernt

Der Schatten der UNICEF-Krise

Seitdem das Kinderhilfswerk UNICEF in Deutschland mit seinem Geschäftsgebaren in die Kritik geraten ist, ist Burkhard Wilke ein gefragter Gesprächspartner. Wilke leitet das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen, das das "Spendensiegel" an UNICEF und Co. verleiht. Auch sein Institut will aus der Affäre lernen.

 (DR)

Immer wieder muss sich der 43-Jährige in den Medien zu möglicherweise überhöhten Provisionen an Spendensammler, hohen Verwaltungskosten oder fehlender Kontrolle bei Spendenorganisationen äußern. Wilke ist Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) in Berlin.

Das DZI verleiht mit seinem "Spendensiegel" das bislang einzige Qualitätszertifikat auf dem zunehmend undurchsichtiger werdenden deutschen Spendenmarkt. Mehr als 620.000 eingetragene Vereine und etwa 15.000 Stiftungen gibt es in Deutschland. Das jährliche Spendenvolumen wird auf drei bis fünf Milliarden Euro geschätzt. Da ist das Siegel ein wichtiger Wegweiser für Spender und wird von den Organisationen werbewirksam eingesetzt.

Auch das deutsche UNICEF-Komitee, dessen Geschäftsführung Verschwendung vorgeworfen wird, trägt das Spendensiegel des DZI. Damit wirft der Fall UNICEF auch einen Schatten auf das DZI als unabhängige Kontrollinstanz. Selbstkritisch hat Wilke inzwischen Verschärfungen der Prüfkriterien angekündigt: "Die Bedingungen entsprechen nicht mehr der Realität." 231 Organisationen tragen derzeit das Spendensiegel.

Mehr Transparenz und Vertrauensbildung
Strittig ist etwa die Frage, inwieweit Spendensammler Provisionen erhalten sollen - und bis zu welcher Höhe. Laut DZI-Leitlinien sind Prämien bisher unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Zum anderen muss die Tatsache, dass der kritisierte und inzwischen zurückgetretene UNICEF-Geschäftsführer Dietrich Garlichs zugleich Mitglied des Vorstandes war - und sich damit quasi selbst kontrollierte - auch dem DZI bekannt gewesen sein.

Mit der Überprüfung der ausgezeichneten Organisationen und der Dokumentation weiterer rund 350 Organisationen, die kein Spendensiegel haben, sind in der Villa im Berliner Stadtteil Dahlem das Jahr über ständig acht Mitarbeiter beschäftigt. Wilke, der das 1893 gegründete Institut in einem Zug mit den Verbraucherzentralen und der Stiftung Warentest nennt, reagiert auf die Kritik mit der Forderung nach mehr Transparenz und Vertrauensbildung.

Dazu gehörten mehr unabhängige Prüfungen und für Spender der Zugang zu den relevanten Daten der Spendenorganisationen, wie sie etwa die geplante Informationsdatenbank "GuideStar Deutschland" verspricht.

Möglicherweise schon zum Ende des Jahres wird das beim DZI angesiedelte Projekt starten. Solange es aber keine staatliche Offenlegungspflicht für die Spendenorganisationen gebe, sei "GuideStar" auf deren guten Willen angewiesen, sagt Wilke.
Staatlichen Handlungsbedarf sieht er bei den Bundesländern: "Die bundesweite Erosion der Sammlungsgesetze muss gestoppt werden." Dies führe dazu, dass dubiose Spendenorganisationen etwa in Rheinland-Pfalz verboten, aber im benachbarten Baden-Württemberg erlaubt seien.

Nicht alle können sich das Siegel leisten
Laut DZI steht das eigene Siegel für wahre und sachliche Werbung, nachprüfbare und sparsame Mittelverwendung, nachvollziehbare Rechnungslegung und eine interne Überwachung des Leitungsgremiums durch ein unabhängiges Aufsichtsorgan. Jedes Jahr müssen die Organisationen das Siegel neu beantragen. Und es kostet Geld, je nach Höhe der Spendeneinnahmen bis zu 11.900 Euro.

Manche Einrichtungen, die auf Spenden angewiesen sind, verzichten daher auf das DZI-Qualitätssiegel. Sie vertrauen stattdessen auf die Logos ihrer Projektpartner und Großspender - und werben damit. Oder treten dem Deutschen Spendenrat bei, dessen Mitglieder sich unter anderem dazu verpflichten, keine Spenden auf Provisionsbasis zu sammeln. Die Mitgliedschaft dort kostet höchstens 3.000 Euro im Jahr und das Logo darf natürlich auch werbewirksam eingesetzt werden.

Im Gesamtetat des DZI von etwas über einer Million Euro machen die Einnahmen aus dem Spendensiegel und der Spenderberatung etwas mehr als ein Drittel aus. Die Hälfte des Budgets steuern die öffentlichen Träger bei, darunter das Land Berlin und der Bund. Weitere Einnahmen erwirtschaftet das DZI durch sein zweites Standbein als Dokumentations- und Informationszentrum zur Sozialarbeit und Sozialpädagogik, wofür es vor über 100 Jahren auch gegründet wurde.

Von Lukas Philippi (epd)