Mit einem Festakt in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier haben evangelisch-freikirchliche Christen unterschiedlicher Konfessionen am Sonntag an das 500-jährige Bestehen der Täuferbewegung erinnert. In einem Grußwort würdigte Steinmeier das Handeln der Täufer als "Teil der europäischen Freiheitsgeschichte." Die täuferischen Gemeinschaften hätten Ideale praktiziert, die heute zum Fundament einer freien Gesellschaft gehörten.
Dazu zählten die Trennung von Kirche und Staat als Voraussetzung für Religionsfreiheit, gleichberechtigte Abstimmungen, sozialer Ausgleich und die Konfliktbewältigung ohne Gewalt. "Wer mündig glaubt und handelt, der denkt nicht nur an sich, der übernimmt immer auch Verantwortung - für sich, für andere, für das Gemeinwohl", so Steinmeier weiter. Diese Botschaft sei auch heute noch aktuell.
Plädoyer für Aufrüstung
Als "schwer verdaulich" bezeichnete der Bundespräsident das Beharren der Täufer auf Gewaltfreiheit: "Wenn wir unsere Freiheit und unsere Demokratie bewahren wollen, bedeutet das auch und vor allem, dass wir sie verteidigen können müssen." Das verlange in diesen Zeiten stärkere Streitkräfte - "nicht um Krieg zu führen, sondern um zu vermeiden, ihn führen zu müssen". Das Militärische sei kein Ersatz für Diplomatie, aber eine Versicherung von Stärke, um ernst genommen zu werden.
Dennoch sei das Ideal der Gewaltlosigkeit der Täufer richtig. "Für diese Haltung habe ich hohen Respekt", sagte Steinmeier. Christen in der DDR hätten etwa mit sehr viel Mut eine Gegenöffentlichkeit für Debatten geschaffen und so den Boden für die friedliche Revolution bereitet. "Diese Form von Zivilcourage ist auch in unserer Gegenwart wichtig, in der die Demokratie stärker angefochten ist", so Steinmeier weiter. "Wir sind aufgerufen, miteinander zivil und mit Argumenten und Respekt gleichermaßen um die beste Lösung zu streiten: Wir müssen Widerspruch gegen die Verächter der Demokratie einlegen, ohne selbst zu Verächtern des demokratischen Anstands zu werden."
Treue zum Evangelium entscheidend
Die freikirchliche Theologin Andrea Strübind hob in einem Festvortrag hervor, dass ökumenische Dialoge das gegenseitige Verständnis der Taufe verstärkt hätten. Die Täufer mahnten, Taufe nicht als Symbol der Ausgrenzung oder Abgrenzung, sondern des gemeinsamen Glaubens zu sehen. Das Christentum in Deutschland sei plural: Nicht die Zahl entscheide über die Qualität, sondern die Treue zum Evangelium.
Die Leiterin der Mennonitischen Forschungsstelle, Astrid von Schlachta, legte den Fokus auf das Thema Freiheit. Heute schienen Ausgrenzung und Moralisierung Hochkonjunktur zu haben. "Die Freiheit anderer zu respektieren heißt, Alternativen zu denken und zu leben", so von Schlachta. In einer Demokratie und einer christlichen Gemeinde könne es nie nur eine Meinung geben.
Ökumenische Gästeliste
Zu dem Täuferjubiläum wurden auch der Ökumene-Bischof der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Gerhard Feige, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Christopher Easthill, erwartet. Neben dem Festakt in der Christuskirche in Hamburg-Altona sollte in der dortigen Mennonitengemeinde auch ein Festgottesdienst stattfinden.
Easthill würdigte in seinem Grußwort den Einsatz der täuferischen Kirchen für den Frieden. Die Stimme der "Friedenskirchen" müsse gehört werden. Es gebe auf jeden Fall klare Grenzen für den Einsatz militärischer Gewalt; Zivilisten müssen geschützt werden. Und diese Grenzen dürften auch nicht von befreundeten Staaten überschritten werden.
Teil der europäischen Freiheitsgeschichte
1525 hatte der ehemalige Priester Jörg Blaurock in einem Haus in Zürich als Erster eine erneute Taufe empfangen. Die Vertreter der Täufer, die neben den Anhängern Martin Luthers und der Schweizer Reformatoren Huldrych Zwingli und Johannes Calvin den dritten Flügel der Reformation bildeten, wollten damit ihren entschiedenen Glauben zum Ausdruck bringen. Sie stellten sich mit den erneuten Taufen jedoch auch in Opposition zur damaligen weltlichen wie kirchlichen Obrigkeit. Es folgte eine jahrhundertelange, blutige Verfolgung. Heute führen sich die Amischen in den USA, aber auch Baptisten und Mennoniten auf die Täufer von damals zurück.
In diesem Jahr erinnern Gemeinden und Kirchen weltweit an die erste täuferische Glaubenstaufe, die Ende Januar 1525 in Zürich stattfand. Die reformatorische Bewegung setzt auf Gläubigentaufe, lehnt Kindertaufen ab und tritt für eine Kirche ohne Hierarchie und Klerus ein. Die Täuferbewegung gilt als Teil der europäischen Freiheitsgeschichte. Vom 16. bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden ihre Anhänger verfolgt, viele starben auf Scheiterhaufen. Daher lebten die Täufer ihren Glauben nur im Privaten oder wanderten aus, meist nach Nordamerika. Im Jahr 2007 entschuldigte sich die Reformierte Kirche der Schweiz bei den Täufern für die erlittene Verfolgung. 2010 legte der Lutherische Weltbund ein entsprechendes Schuldbekenntnis ab.
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