Am Samstag haben nach Polizeiangaben mehrere Tausend Menschen an Demonstrationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch parallel in Köln und in Berlin teilgenommen. Die Demonstrationen starteten an zentralen Plätzen beider Städte um 13.00 Uhr. Nach Polizeiangaben sind in Berlin 2.200 Demonstranten beim Marsch mitgelaufen, in Köln haben sich laut WDR 1.200 der Kundgebung angeschlossen. Die Kölner Polizei konnte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Anfrage keine Teilnehmerzahl nennen. Der Bundesverband Lebensrecht hatte zum "Marsch für das Leben" aufgerufen. Veranstalter war der Bundesverband Lebensrecht (BVL), ein Zusammenschluss von 15 Organisationen. Für den "Marsch für das Leben" wurde bundesweit mobilisiert.
Start und Endpunkt des Berliner Marsches war der Hauptbahnhof. Bei der Demonstration hieß es auf Plakaten unter anderem "Abtreibung ist Unrecht", "No Children - no Future", "Menschenwürde kennt kein Alter" und "Inklusion beginnt vor der Geburt". Zudem wurde der Berliner Protestzug in Höhe der Charité von einer spontanen Sitzblockade gestoppt. Nach mehrmaliger, vergeblicher Aufforderung der Polizei, die Straße freizugeben, löste diese die Blockade auf und trug mehrere Menschen zur Seite. Laut Polizeiangaben bildeten 80 bis 100 Menschen die Sperre. Die Zahl der Gegendemonstranten gab sie mit rund 220 an, angemeldet waren 2.000. Auch in Köln wurde der Protestzug, der am Neumarkt gestartet ist, von einem erheblichen Polizeiaufgebot begleitet. Der WDR schätzte die Zahl der Gegendemonstranten auf 1.500. Angemeldet waren hier 1.000 Teilnehmer.
Unterstützung durch katholische Kirche
Der Bundesverband Lebensrecht demonstriert bei seinem erstmals 2002 gestarteten "Marsch für das Leben" gegen Abtreibungen. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki hatte sich in einem schriftlichen Grußwort an die Organisatoren gewandt und den Demonstrierenden für ihr Engagement gedankt. "Die christlich-jüdische Herleitung der Menschenwürde aus der Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet den unverlierbaren Anspruch jedes Menschen auf den Schutz seines Lebens und die Achtung seiner Würde vom Moment der Empfängnis bis an sein natürliches Lebensende", erklärte er.
Unterstützt wurden die Demonstranten von einigen katholischen Bischöfen. Bereits im Vorfeld hat der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ein Grußwort an die Teilnehmer in Köln gerichtet. Zudem sollen in Berlin laut BVL hochrangige Vertreter der katholischen Kirche am "Marsch für das Leben" teilnehmen: Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Weihbischof Matthias Heinrich (Berlin).
In der katholischen Kirche ist die Veranstaltung nicht unumstritten. So kritisierte der Bund der Deutschen Katholischen Jugend im Erzbistum Köln vor zwei Jahren, dass sich auch rechtsextreme Aktivisten und Parteien daran beteiligten. In der aktuellen Folge des katholischen Podcasts "Himmelklar" dementierte Alexandra Maria Linder, Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht, eine Nähe der Lebensschutzbewegung zur AfD: "Es wird nicht unterlaufen, es wird nicht unterwandert." Der Lobbyverband sei überparteilich, überkonfessionell und unabhängig.
Überblick auf die Gegendemonstrationen
Bei zwei Gegenveranstaltungen im Berliner Regierungsviertel forderten mehrere Hundert Menschen unter anderem eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auf den Gegendemonstrationen hieß es unter anderem "Endlich weg mit Paragraph 180", "My Body, my Choice", "Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht" und "Leben und Lieben ohne Bevormundung".
In Köln rief das Bündnis Pro Choice zu einer Gegendemonstration auf. Ein Polizeisprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst, dass es zwei Versuche gegeben habe, den sogenannten Marsch für das Leben zu blockieren. Ansonsten habe es bisher keine Auffälligkeiten gegeben. Das Bündnis Pro Choice Köln wiederum setzt sich unter anderem für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Auf der Demonstration riefen Teilnehmende: "My body, my choice. Raise your voice!" ("Mein Körper, meine Entscheidung. Erhebt eure Stimme!") Bündnissprecherin Luzie Stift erklärte auf Instagram, dass es um eine "echte, körperliche und sexuelle Selbstbestimmung" gehe. "Wir demonstrieren heute gegen den sogenannten Marsch für das Leben, ein Sammelbecken reaktionärer Kräfte, die das Selbstbestimmungsrecht von uns Frauen und Queers einschränken wollen", betonte sie. Das Bündnis erklärte, mit über 3.000 Menschen demonstriert zu haben.
Rechtswidrig, aber straffrei
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, bleiben aber straffrei, wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung verursacht wurde, Gesundheit oder Leben der Mutter in Gefahr sind sowie innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis, wenn eine Beratung stattgefunden hat. Seit Längerem wird diskutiert, Abbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft nicht mehr im Strafgesetzbuch zu verbieten, sondern grundsätzlich zu entkriminalisieren.
Im Bundestag wurde ein Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs von einer Gruppe von Abgeordneten eingebracht. Dieser sieht vor, einen Abbruch bis zur zwölften Woche nach Beratung zu entkriminalisieren. Sachverständige äußerten unter Verweis auf die Entstigmatisierung und verbesserte Versorgung teils Zustimmung und teils Kritik an den vorgesehenen Änderungen. Eine politische Entscheidung steht derzeit noch aus.
Redaktioneller Hinweis: Der Artikel wurde am 20. September gegen 17:15 Uhr aktualisiert.