DOMRADIO.DE: Wie viel Spielraum hat ein Papst in Sachen Mode?
Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Ein Papst hat in der Auswahl der traditionellen Kleidung einen gewissen Spielraum. Das betrifft zum Beispiel die Soutane selbst. Es gibt Päpste, die ihr Zingulum mit ihrem Wappen geschmückt haben; andere haben das wiederum nicht gemacht. Dann haben manche Päpste im Winter lieber einen weißen Mantel gewählt, andere hingegen einen roten Umhang.
DOMRADIO.DE: Wer war denn ein besonders modebewusster Papst?
Nersinger: Das dürfte unter anderem Papst Leo XIII. gewesen sein. Er regierte von 1878 bis 1903 und legte viel Wert auf gute Kleidung. Er stammte aus dem italienischen Landadel, war Diplomat und wollte sich auch in seiner Kleidung elegant geben. Dazu gibt es eine hübsche Geschichte: Als Leo XIII. den großen französischen Schriftsteller Émile Zola zu einer Audienz empfing, war dieser sehr begeistert. Später berichtete Zola, dass dem Heiligen Vater während der Audienz etwas aus der Nase gerieselt sei. Dabei muss es sich um Schnupftabak gehandelt haben, den der Papst in großem Maße konsumierte. Der Schriftsteller soll also gesehen haben, wie der ganze Schnupftabak auf das Gewand des Papstes rieselte. Das war dann nicht mehr so ganz in einem perfekten Zustand. Daran sieht man: Selbst wenn man sich um Eleganz bemüht, kann die Realität einem einen kleinen Strich durch die Rechnung machen.
DOMRADIO.DE: Das Modemagazin "Vogue" hat Papst Leo zu den bestgekleideten Persönlichkeiten des Jahres 2025 ernannt. Zurecht?
Nersinger: Ich denke ja. Papst Leo ist jemand, der sehr souverän auftritt, und das zeigt sich auch in seinem Kleidungsstil. Das wirkt alles sehr elegant und trotzdem nicht überzogen. Das ist eine Mischung, die – denke ich – auch modebewusste Menschen nd Modezeitschriften beeindruckt.
DOMRADIO.DE: Laut der „Vogue“ hat Leo sein bestes Outfit bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am 8. Mai getragen. Was war damals so bemerkenswert?
Nersinger: Anders als sein Vorgänger Franziskus hat Leo wieder die traditionelle Kleidung der Päpste getragen. Er trug die Mozzetta - einen roten Umhang -, darunter ein Rochett und dazu eine sehr prächtige Papststola. Und das kam, glaube ich, bei allen Leuten sehr gut an.
DOMRADIO.DE: Wenn der aktuelle Papst jetzt so ausdrücklich für sein Outfit gelobt wird, ist das dann auch Kritik am Modebewusstsein seiner Vorgänger?
Nersinger: Nicht unbedingt. Erst einmal haben die Päpste eigene Charaktere, sind geprägt von ihrer Umgebung und Herkunft. Man muss sehr vorsichtig sein, wenn man Kritik äußert. Ich habe ein Beispiel: Man hat immer gesagt, dass Papst Franziskus schlichtere und einfachere Schuhe als Benedikt XVI. getragen hat. Das muss nicht unbedingt Kritik unter den Päpsten selbst sein. Denn Franziskus hatte große Probleme mit dem Gehen, weshalb er unbedingt orthopädische Schuhe tragen musste. Solche Schuhe sind halt etwas klobig und nicht ganz so ansehnlich, wie man es von einem Papst gewohnt ist. Man muss da wirklich genau hinschauen, ob es sich um sachliche Kritik oder einfach nur Effekthascherei handelt.
Das Interview führte Carsten Döpp.