Goldene Stickereien, Madonnenmotive, Samt und Brokat: Wenn bei Dolce & Gabbana die Models über den Laufsteg schreiten, dann wirken die Entwürfe oft wie aus einer anderen Welt – oder aus einer anderen Zeit.
Am 15. Juli zeigten die Modeschöpfer ihre Interpretation katholischer Kleidung und Symbolik in der Haute Couture. Heiligenbilder und kirchliche Formen werden hier zum modischen Spektakel. Doch was für die einen eine Hommage an die religiöse Tradition ist, wirkt für andere wie die Vermischung von Sakralem und Kommerz. Wo also verläuft die Grenze zwischen spiritueller Inspiration und modischer Inszenierung?
Zwischen Sakralität und Showgeschäft
Der Modejournalist Alfons Kaiser von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sieht darin eine doppelte Bewegung. Einerseits könne man in dieser ästhetischen Aneignung fast schon Gotteslästerung erkennen "ein kommerzielles Produkt metaphysisch aufzuladen", nennt er es. Wenn Glaubenssymbole bloß zur Aufwertung einer Marke genutzt würden, verliere das Religiöse seine Würde. Andererseits könne man die Pracht der Entwürfe auch als ehrfürchtige Hommage verstehen. Besonders, wenn Designer wie Domenico Dolce und Stefano Gabbana selbst gläubig seien. "Wenn man weiß, dass Dolce und Gabbana gläubig sind, dann sieht man: Es ist auch eine Hommage", sagt Kaiser.
In einer Zeit, die immer stärker entchristlicht sei, entfalte religiöse Symbolik laut Kaiser eine besondere Anziehungskraft. "Gerade in einer entchristlichten Zeit überwältigen solche Symbole, weil man sie kaum noch sieht“, erklärt er. Die Mode werde heute zunehmend "verkaufbar“, angepasst an schnelle Produktionszyklen und einfache Designs. Inmitten dieser minimalistischen Strömung wirkten die aufwendig bestickten Gewänder von Dolce & Gabbana fast wie ein Aufschrei gegen das Alltägliche – eine visuelle Überwältigung, die an die Pracht kirchlicher Liturgie erinnere.
Wenn Mode zur Predigt wird
Auch Thomas Schmitt, Schneider für liturgische Gewänder aus Köln, sieht in dieser Entwicklung eher eine positive Tendenz. Er versteht die Nutzung sakraler Symbolik als Zeichen, dass Kirche und Liturgie weiterhin im Gespräch bleiben. "Solange Designer sich von der Pracht der liturgischen Gewänder inspirieren lassen, bleibt Kirche im Gespräch“, sagt er. Entscheidend sei dabei der Respekt vor der Würde des Heiligen. "Liturgische Kleidung muss der Würde der Liturgie entsprechen, sie darf den Träger nicht verkleiden, sondern bekleiden.“
Schmitt betont, dass das, was auf dem Laufsteg gezeigt wird, nicht mit echter liturgischer Kleidung verwechselt werden dürfe. Diese habe eine klare Bedeutung: Sie diene nicht dem modischen Ausdruck, sondern der Würde des Amtes. Gerade Papst Leo XIV., der kürzlich von der New York Times zu den "Most Stylish People of 2025“ gezählt wurde, zeige, wie sehr kirchliche Kleidung über Mode hinausweisen kann. "Leo zelebriert das Amt, nicht die Person – seine Kleidung ist festlich, aber bescheiden“, sagt Schmitt. Auch Kaiser erkennt in dieser neuen Sicht auf päpstliche Kleidung eine gewisse Faszination: Das weiße Gewand des Papstes habe "einen ästhetischen Wert über die immanente Bedeutung hinaus“.
Von der Toga zur Kasel
Sowohl Schmitt als auch Kaiser sehen in der liturgischen Kleidung ein Symbol gesellschaftlicher Ordnung und Hierarchie. Für Kaiser ist Mode, auch die kirchliche, immer Ausdruck von Stellung: "Mit nichts kann man gesellschaftliche Stellung besser ausdrücken als mit Mode.“ Schmitt verweist zudem auf den historischen Ursprung: Die Kirche habe ihre Gewänder nicht neu erfunden, sondern aus der römischen Alltagskleidung weiterentwickelt. Tunika und Toga wurden zu Albe und Kasel, aus ziviler Kleidung wurde Symboltracht.
Doch wo Inspiration ist, droht auch Vereinnahmung. Schmitt warnt davor, liturgische Kleidung in der Popkultur oder im Karneval ins Lächerliche zu ziehen. "Man macht sich über Umwege über Kirche lächerlich, wenn man liturgische Kleidung ins Lächerliche zieht – das darf nicht passieren“, sagt er. Wenn Modeketten kirchliche Schnitte und Farben in Alltagskleidung übersetzen, müsse das stets respektvoll geschehen.
So bleibt die Faszination kirchlicher Ästhetik ein Balanceakt zwischen Ehrfurcht und Übertreibung. Die prunkvollen Roben rufen eine Ästhetik in Erinnerung, die lange aus dem Diskurs verschwunden war. Für Schmitt und Kaiser ist jedoch klar, solange Liturgische Mode nicht zur Alltagskleidung wird, sondern ihre Funktion für den Gottesdienst behält, ist es gut, diese wieder ins Licht zu rücken.