Rom-Korrespondent erklärt Streit zwischen Papst und Gänswein

"Mit einer gewissen Tragik vom Hof gejagt"

Als "Mangel an Anstand und an Menschlichkeit" hat der Papst das Vorgehen von Georg Gänswein bezeichnet. Rom-Korrespondent Ludwig Ring-Eifel ordnet diese selten deutlichen Worte ein und beleuchtet die Hintergründe eines Zerwürfnisses.

Erzbischof Georg Gänswein und Papst Franziskus (r.) / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein und Papst Franziskus (r.) / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist Papst Franziskus da wirklich ungewöhnlich deutlich, was die Kritik an Erzbischof Gänswein angeht? 

Ludwig Ring-Eifel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ludwig Ring-Eifel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Ludwig Ring-Eifel (Rom-Korrespondent bei der Katholischen Nachrichtenagentur KNA): Ja, das kann man schon sagen. Denn bisher war das nur kolportiert worden, nach dem Motto "The Pope was not amused" ("Der Papst war nicht erfreut"). Jetzt hat er es aber selber gesagt und auch sehr klar, dass er sowohl den Zeitpunkt der Veröffentlichung als auch den Inhalt von Gänsweins Buch mit dem Titel "Nichts als die Wahrheit. Mein Leben mit Benedikt XVI." kritisiert. Und das in dieser Schärfe, mit den Worten "Mangel an Anstand und Mangel an Menschlichkeit". Das zeigt schon nochmal eine Steigerung der Zerwürfnisse, die es da offenbar schon seit längerem gibt. 

DOMRADIO.DE: Dass es zwischen dem Papst und Georg Gänswein jetzt schon länger kriselte, war vielen klar. Wie sind da Ihre persönlichen Beobachtungen im Laufe der Jahre gewesen?

Ring-Eifel: Zunächst ging das alles recht gut. Gänswein war gewissermaßen Diener zweier Herren. Er war einerseits weiterhin der Privatsekretär des zurückgetretenen Papstes und andererseits als Präfekt des Päpstlichen Hauses eine sehr sichtbare Persönlichkeit im Vatikan. 

Ludwig Ring-Eifel

"Als er ihn dann 2020 von dieser Position entfernt hat, war schon klar, dass die Chemie zwischen den beiden nicht mehr stimmte."

Alle Staatsgäste, die bei Papst Franziskus ankamen, wurden zunächst von Gänswein begrüßt, wurden von ihm zum Papst begleitet. Das war wirklich eine sehr prominente Position. Als Franziskus ihn dann 2020 von dieser Position entfernt hat, war schon klar, dass die Chemie zwischen den beiden nicht mehr stimmte. 

Der Anlass war die Veröffentlichung eines anderen Buches gewesen, das der damalige Kardinal Robert Sarah veröffentlicht hatte. Da ging es um den Zölibat. Bei der Veröffentlichung dieses Buches hatte Gänswein eine wichtige Rolle und keine sehr glückliche Rolle. Deswegen musste er den einen Job niederlegen. Er behielt noch den anderen Job als Sekretär des zurückgetretenen Papstes, der endete dann mit dem Tod von Benedikt XVI. 

DOMRADIO.DE: Einige Stimmen behaupten, dass Erzbischof Gänswein den emeritierten Papst Benedikt für seine eigenen Zwecke instrumentalisiert habe. Ist da Ihrer Meinung nach was dran? 

Ludwig Ring-Eifel

"Dass er Benedikt da vor seinen Karren gespannt hätte, das kann man höchstens in dem Fall dieses Buches von Sarah sagen. Aber ich glaube nicht, dass es da sonst irgendwelche Belege für gibt."

Ring-Eifel: Das würde ich in dieser Schärfe nicht so unterschreiben. Was wohl schon stimmt, ist, dass Gänswein stärker akzentuiert war in seiner Skepsis gegenüber bestimmten Entscheidungen, die Papst Franziskus getroffen hat und dass es da eine inhaltliche Distanz zwischen den beiden gab. Dass er Benedikt da vor seinen Karren gespannt hätte, das kann man höchstens in dem Fall dieses Buches von Sarah sagen. Aber ich glaube nicht, dass es da sonst irgendwelche Belege für gibt. 

DOMRADIO.DE: Medieninhalte mit Erzbischof Georg Gänswein – das sehen wir auch auf DOMRADIO.DE – sind stark gefragt, auch in den sozialen Medien. Die einen "verehren" den Erzbischof, die anderen schäumen vor Wut. Wie erklären Sie sich dieses mediale Phänomen? 

Ludwig Ring-Eifel

"Er ist ein sehr ansprechendes Gesicht im Vatikan gewesen. Er war außerdem der treue Diener seines Herrn, der mit einer gewissen Tragik vom "Hof gejagt wurde", nachdem der alte Papst verstorben war."

Ring-Eifel: Das liegt sicher auch an der Person Gänswein. Er ist ein sehr ansprechendes Gesicht im Vatikan gewesen. Er war außerdem der treue Diener seines Herrn, der mit einer gewissen Tragik vom "Hof gejagt wurde", nachdem der alte Papst verstorben war. 

Ich glaube, Gänswein hat einfach die Komponenten, die die Menschen interessieren. Da ist menschliche Tragik drin, da ist Kirchenpolitik drin, weil Gänswein eher für einen konservativen Kurs und Papst Franziskus eher für Reformen steht. Diese Mischung macht es, glaube ich. Es gibt nicht viele interessante deutsche Persönlichkeiten, die mit dem Vatikan noch in Verbindung gebracht werden. Insofern bleibt Gänswein ganz klar weiterhin für uns in den Medien eine Art Zuschauer- und Zuhörer-Magnet. 

DOMRADIO.DE: Erzbischof Gänswein lebt in Freiburg, hat keine offiziellen Aufgaben mehr. Schätzen Sie, dass das so bleibt? Oder gibt es vielleicht noch eine andere "Verwendung" für ihn? 

Ring-Eifel: Es ist schwer zu sagen. Papst Franziskus sagt in dem Buch in einem anderen Kontext, dass man Menschen auch verzeihen muss, wenn sie kirchenpolitische Verfehlungen begangen haben, auf einem falschen Kurs waren, aber am Ende die Dinge bereuen. Dann müsse man ihnen eine neue Chance geben. Ob das jetzt auch für Gänswein gilt, das vermag ich nicht zu sagen. Ich glaube, die Chancen sind aber nicht allzu hoch. 

Das Interview führte Oliver Kelch. 

Gänswein-Buch sorgt für Schlagzeilen

Auszüge aus einem Buch von Erzbischof Gänswein haben in italienischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt. Die römische Tageszeitung "Il Messaggero" berichtete unter der Überschrift "Am Tag der Beerdigung ein Angriff von Georg gegen Bergoglio", dass Gänswein sich in dem Buch nachträglich über seine Beurlaubung durch Papst Franziskus beklage.

Erzbischof Georg Gänswein / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR