Reihe "Berichte zum Frieden": Zehn Jahre nach Ende des Balkan-Kriegs steht ein Jugendzentrum in Bosnien auf eigenen Füßen

Erfolgreiche Hilfe zur Selbsthilfe

Eine "Partnerschaft für den Frieden" hat die NATO in dieser Woche mit Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Serbien geschlossen. Die drei Staaten sind nun Teil des Partnerschaftsprogramms, einer Art Vorstufe für eine Vollmitgliedschaft. Blick zurück: Noch vor zehn Jahren musste sich der Balkan von jahrelangen Kriegen erholen. Damals gründete der Verein "Friedenskreis aus Halle" ein Kinder- und Jugendzentrum im bosnischen Jajce. In domradio "Berichte zum Frieden" zieht Mitinitiatorin Viola Pugell Bilanz.

 (DR)

Hören Sie hier das domradio-Interview mit Viola Pugell

Lesen Sie hier einen Projekt-Bericht des "Friedenskreis aus Halle"
Die zentralbosnische Stadt Jajce hatte vor dem Krieg ein reiches Kulturleben. Es fanden Theaterfestspiele und Musikveranstaltungen statt, die regelmäßig viele Menschen aus dem ganzen Land anzogen. Die Stadt lebte hauptsächlich von der Schwerindustrie und vom Tourismus. Heute ist vom kulturellen Reichtum nur noch wenig geblieben. Theateraufführungen und Konzerte finden nur noch vereinzelt statt. Es gibt keine Touristen und auch die Industrie bietet nur noch wenige Arbeitsplätze. Viele junge Menschen sehen keine Perspektive für sich in ihrer Stadt. Wenn sie die Schule verlassen, finden nur wenige von ihnen einen Ausbildungsplatz. Unzufriedenheit und Resignation prägen die Stimmung unter den meisten jungen Jajcanern. Viele hoffen auf eine Möglichkeit, ihre Stadt zu verlassen und ins Ausland zu gehen.

Doch gerade in dieser jungen Generation steckt die Energie, die Jajce wieder zu einer lebendigen Stadt machen kann. Jeder der Jugendlichen besitzt Kreativität, Phantasie und Talent. Wir Mitarbeiter des COD haben das Ziel, diese positiven Eigenschaften zu fördern und sie wieder ans Tageslicht zu holen, wenn sie von Resignation und Mutlosigkeit überdeckt sind.

Das COD hat nicht viel Geld
Unsere Stadt braucht eine Entwicklung in vielen Bereichen: in der Wirtschaft, im Tourismus, in der Ökologie, in der Kultur. Das COD hat nicht viel Geld, das es in die Entwicklung von Jajce investieren könnte. Aber wir arbeiten mit einem anderen großen Reichtum: der Energie der Menschen, die hier leben. Wir wissen, dass dieser Reichtum, die Eigeninitiative der Menschen, wesentlich dazu beitragen kann, Jajce wieder zu einem Zentrum unseres Landes werden zu lassen. Unser Ziel ist eine Stadt, in die die Menschen gern kommen, anstatt sie verlassen zu wollen. Im COD ist jeder, der Gemeinschaft leben, sich weiterbilden, spielen oder musizieren möchte, herzlich willkommen, unabhängig von Religion und Herkunft.

Für Vorschläge, Ideen und Kritik sind wir offen. Mit unserer Arbeit möchten wir das Leben in Jajce reicher gestalten und so freuen wir uns über jeden, der an diesem Ziel mitwirken möchte.

Eröffnung des Jugendzentrums 1999
Im Juni 1999 wurde die Eröffnung des Centar za Obrazovanje i Drusenje in den Räumen in der Livanjska 48 in Jajce gefeiert. Die ersten Besucher begannen gemeinsam mit den Mitarbeitern, die sechs Räume zu streichen und zu gestalten. Bald begannen Bastelkurse und Malworkshops, außerdem standen ein Tischkicker, eine Tischtennisplatte und Spiele zu Verfügung.

Heute finden im COD regelmäVig Gitarrenkurse, Computerkurse und Bastelangebote statt. Es bestehen zwei Tanzgruppen für Mädchen, die bei Veranstaltungen ihr Programm der Öffentlichkeit präsentieren. Jugendliche geben die Zeitung "Generacija X" heraus, in der sie über ihre Träume schreiben, über Neuigkeiten in der Stadt berichten und allgemein Themen behandeln, die junge Menschen interessieren.

Schien das COD anfangs vor allem eine Ausleihstelle für Spiele zu sein, wurde schon bald die Selbstverantwortung der Kinder und Jugendlichen für ihr COD thematisiert.

Multikulturelles Mitarbeiterteam im COD
Heute gibt es eine Wunschtafel, an der jeder Besucher seine Ideen, Kritiken und Vorschläge veröffentlichen kann. Es gibt regelmäßige Treffen der Mitarbeiter und Besucher, in denen Probleme besprochen und neue Aktivitäten geplant werden. Hier wird das Ziel des COD deutlich: Es geht uns nicht darum fertige Angebote zu machen, sondern der Reichtum des COD liegt in der Vielfalt der Fähigkeiten und Ideen aller Menschen, die dort zusammenkommen. Das COD ist kein Restaurant, in dem man nach Karte ein Gericht bestellen kann, sondern eher eine Spezialitätenküche, in der jeder eigene und auch neue Rezepte ausprobieren kann und viele Helfer beim Kochen findet.

Betreut werden die Besucher des COD von einem multikulturellen Mitarbeiterteam. Bei uns arbeiten Bosnier und Deutsche zusammen, Katholiken, Muslime, Orthodoxe, Protestanten und Atheisten. Wir betrachten die religiöse und geografische Vielfalt als Gewinn für unsere Zusammenarbeit.

In Jajce gibt es einige Organisationen, die sich mit viel Engagement für die Entwicklung der Stadt einsetzen. Oft ist es sinnvoll, sich zu bestimmten Projekten zusammenzuschließen, um gemeinsam mehr zu ereichen. So arbeiteten wir bereits mit den Organisationen Viktorija, Afrodita und Rotes Kreuz zusammen. Außerdem ist das COD an verschiedene Vernetzungsorganisationen (HCA-Netz, ICVA) in BiH angeschlossen und dadurch im engen Kontakt mit ähnlichen Institutionen im ganzen Land.


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