Reihe "Berichte zum Frieden": Malteser Migranten Service

Helfen ohne Rücksicht auf Papiere

Sie haben Zahnschmerzen oder Hautausschlag, sie bekommen Kinder oder Fieber, sie leiden an Krebs und oft auch an den Folgen erlittener Folter. Doch einfach zum Arzt gehen können sie nicht. Denn Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus, so genannte Illegale, haben keine Chipkarte, keine Krankenversicherung und meistens auch kein Geld für eine medizinische Behandlung. Der Malteser Migranten Service in Köln hilft trotzdem.

 (DR)

Die Malteser Migranten Medizin (MMM) hat in Köln ihre bundesweit zweite Beratungsstelle für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz eröffnet. Das Angebot ist vor allem für Flüchtlinge ohne Aufenthaltsrecht bestimmt. Beraten und behandelt werden aber auch Deutsche ohne Versicherungsschutz. Deren Zahl ist in den letzten Monaten stark angestiegen, auch in der seit 2001 bestehenden ersten Beratungsstelle in Berlin.

Zahlen und Erfahrungen aus Berlin zeigten eine "enorm wachsende Nachfrage", betont Abteilungsleiterin Migration der Malteser, Angelika
Haentjes-Börgers: "2001 kamen 215 Menschen zu uns, voriges Jahr waren es schon mehr als 2.000." Etwa 85 Prozent davon seien "Illegale", also Ausländer ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung. Zur wachsenden Gruppe Deutscher ohne Krankenversicherung gehörten Obdachlose, Studenten über 30 und besonders Freiberufler oder ehemals Selbstständige, die sich von ihrem geringen Einkommen keine private Krankenversicherung leisten könnten. Diese hätten aber auch kaum Chancen, in die gesetzlichen Kassen zurückzukehren.

"Rechtliche Grauzone"
Heeremann räumte ein, sich mit dem Angebot in einer "rechtlichen
Grauzone" zu bewegen. Man habe aber mit den zuständigen Behörden
ausgehandelt, dass die Anlaufstelle nicht für Abschiebungen genutzt werden dürfe. Die Erfahrungen aus Berlin nannte der Malteser-Präsident in dieser Hinsicht "ermutigend". Im Jahr 2004 wurde die MMM als "Botschafter der Toleranz" ausgezeichnet und dabei von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Bundesinnenminister Otto Schily (beide SPD) für ihren
beispielhaften Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit gelobt.

Die Beratungsstelle am Kölner Krankenhaus St. Hildegardis wird von vielen Schwangeren in Not aufgesucht wird. Neben der Vermittlung um einen Platz im Krankenhaus kümmere man sich um Kindermöbel, Kleidung, eine Baby-Erstausstattung und psycho-soziale Hilfen. In den Anlaufstellen arbeiten jeweils ein Arzt und eine Krankenschwester, wie die Migrationsexpertin betonte. "Dazu kommt jeweils ein ganzes Netzwerk von Krankenhäusern, Ärzten, Apotheken und Hebammen, die auch bereit sind, unentgeltlich Hilfe zu leisten."


Viele Städte reagieren
In den vergangen Jahren sind solche Netzwerke in mehreren Städten entstanden, darunter sind Berlin, Bremen, Freiburg, Hamburg, Hannover, und Halle. Die Medizinische Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migranten in Hamburg bietet einmal wöchentlich eine Sprechstunde in einem Klassenzimmer an. Jedes Jahr vermittelt sie zwischen 650 und 400 Arzttermine in die rund 80 Praxen, die mit der Initiative zusammenarbeiten. Diese Zahlen spiegelten aber keineswegs den tatsächlichen Bedarf wider, sagen die Mitarbeiter. Oft trauten sich Menschen ohne Papiere nicht aus dem Haus.

Einige deutsche Kommunen haben das Problem inzwischen auch offiziell erkannt. In München, Nürnberg und Göttingen diskutieren Parteien, Verwaltungen und Initiativen an Runden Tischen, wie die Gesundheitsversorgung für "Illegale" aus der Grauzone herausgeholt werden kann. Auch von höchster Stelle wurde das Engagement für Menschen ohne Papiere schon gewürdigt. Die Leiterin der Malteser Migranten Medizin in Berlin, Adelheid Franz, erhielt Anfang Oktober von Bundespräsident Horst Köhler den Verdienstorden.