DOMRADIO.DE: Das waren am Donnerstag gleich mehrere emotionale Momente. Erst der weiße Rauch, dann das "Habemus Papam", dann der erste Auftritt des neuen Papstes, der erste Segen "Urbi et Orbi". Wo und mit welchen Gefühlen haben Sie das alles verfolgt?

Pfarrer Rainer Maria Schießler (Kath. Pfarrei Sankt Maximilian, München): Ich hatte eine Veranstaltung im Unterallgäu mit ungefähr 700 Leuten. Ich bin da angekommen und in dem Moment hieß es, dass es weißen Rauch in Rom gibt. Da konnten wir nicht einfach mit der Veranstaltung beginnen.
Dann haben wir per Handy über ein Mikro mit 700 Leuten mitverfolgt, wer denn nun unser neuer Papst ist. Und obwohl ihn niemand von uns auf dem Zettel gehabt hat, sind die Leute aufgestanden, als dann benannt wurde, wer er ist und welchen Namen er sich gibt.
Im Fußball, wenn ein gutes Spiel stattgefunden hat, heißt es nachher, dass das Werbung für den Fußball war. Ich finde, diese ganzen 14 Tage waren Werbung für die Kirche. Das, was wir jetzt mit dem Konklave haben erleben dürfen, das mystisch-theologisch war, wenn ich es so nennen darf, war Werbung für die Kirche. Wenn man sieht, wie viele Leute der Kirche den Rücken zuwenden und wie viele jetzt erlebt haben, was die Kirche macht, und die Kardinale in 24 Stunden diesen Mann sozusagen aus dem Hut zaubern, da ich bin ganz euphorisiert.
DOMRADIO.DE: Was halten Sie von Papst Leo XIV.?
Schießler: Der Name Leo ist besonders. Leo der Große hat sich im 5. Jahrhundert gegen die Hunnen gestellt und damit Rom beschützt. Leo XIII. mit seiner Sozialenzyklika hat im 19. Jahrhundert die Grundlage für das geschaffen, worauf zum Beispiel unser Sozialstaat fußt und das in einer Zeit, in der die Menschen in einer Sozialkulturrevolution immer mehr zu sich gefunden haben. Da hat er das Soziale betont.

Das ist das Programm des jetzigen Papstes in dieser Welt, die immer mehr auseinanderbricht, dass wir also wieder das Soziale lernen. Pontifex heißt ja Brückenbauer, das ist Leo XIV. nicht nur zwischen Süd- und Nordamerika. Die Freude von US-Präsident Donald Trump war dementsprechend auch verhalten, weil er genau weiß, wen er da als Gegenüber hat.
Auch Vize-Präsident J.D. Vance, der konvertierter Katholik ist, freut sich sicherlich. Aber die wissen schon, das ist nicht irgendeine Figur, sondern ein Mann, der das wirklich lebt, was er meint. Dann ist der neue Papst auch ein Mann der Armen. Er ist Nord-Amerikaner, er ist aber auch Südamerikaner.
Das ist schon mal die Brücke schlechthin, und er ist eine Brücke zu den armen Menschen. Leo XIV. hat auch gesagt, dass er da Franziskus fortführen wird. Aber er wird ihn nicht kopieren. Das sah man auch schon im Auftreten, dass er anders als Franziskus eben mit der Mozetta und der Stola auf dem Balkon erschienen ist, also wie zuvor Benedikt XVI. Das heißt, er wird das Pontifikat von Franziskus nicht kopieren, sondern auf seine Weise weiterführen.

Und das Dritte, was mich sehr gefreut hat, war, dass er von einer synodalen Kirche gesprochen hat. Man sieht, Rom hat wirklich von unserem Synodalen Weg in Deutschland gelernt. Es geht nur im Miteinander oder es gibt uns gar nicht.
DOMRADIO.DE: "Der Friede sei mit euch" - das waren seine ersten Worte an die Riesenmenge auf dem Petersplatz. Die Botschaft des Friedens scheint ihm also sehr, sehr wichtig zu sein, oder?
Schießler: Vor dem "Habemus Papam" heißt es ja: "Annuntio vobis gaudium magnum". Das ist aus der Weihnachtserzählung der Bibel. Der Engel verkündet den Hirten eine große Freude und dann kommt der neue Papst und bringt den Friedensgruß des auferstandenen Jesus. Er hat also schon mal hier eine Brücke geschlagen. Und Kardinal Re hat es in seiner Predigt vor der Papstwahl so schön ausgedrückt, nämlich, dass die Papstwahl bedeutet, dass der Apostel Petrus wieder kommt - und zwar in einer neuen Gestalt.

Und das ist das Geheimnisvolle und das Wunderbare an diesem Konklave. Da kommt der neue Papst nicht mit Drohung und nicht mit eigenen egoistischen Ansätzen, wie er gerne Kirche haben möchte, sondern er kommt mit dem Friedensgruß. Und ich glaube, das war die Intention der Kardinäle. Also, was diese Welt jetzt braucht, ist einen unermüdlichen Friedensmahner. Der Mann ist nur vier Jahre älter als ich, also der hat gute 20 Jahre vor sich als Papst. Da könnte man was reißen, glaube ich.
DOMRADIO.DE: Einen amerikanischen Papst hat man eigentlich immer für ausgeschlossen gehalten. Was kann das denn vor dem Hintergrund der vielen Kriege und Krisen auf der Welt bedeuten?
Schießler: Grundsätzlich ist mir egal, wo er herkommt, sondern die Eigenschaft, die er mitbringt, ist entscheidend. Aber jetzt, wo wir erleben, dass sich hier auf der einen Seite die Großmacht Russland gegen das Leben stellt, die mit Füßen auf das Leben tritt, und auf der anderen Seite die Großmacht USA, die sich sozusagen da politisch raushält, haben wir ein Problem. Die USA wollen zwar die erste Geige spielen, aber nicht Verantwortung für die Welt übernehmen.
Und da haben wir wieder den Brückenbauer. Da wird er sicher sagen, dass beide ihre Verantwortung übernehmen sollen.

Also ich glaube, dieses Amerika, das sich raushalten will, ist seit gestern angemahnt und angezählt. Was war das erste, was Donald Trump eingestellt hat als neuer Präsident? Das amerikanische Hilfswerk USAID. Also ich denke, das wäre ein Thema, wenn die beiden sich sehen, dass der Papst zur Wiederaufnahme von USAID mahnt und sagt, du kannst nicht auf Kosten der Armen und derer, die nichts haben, deine Macht ausbauen.
Das Interview führte Carsten Döpp.