Vor einem Jahr wurde das Textilsiegel "Grüner Knopf" eingeführt

Klarheit am Bügel?

Es war ein langes Ringen und die Kritik fiel lautstark aus: Dennoch wurde der "Grüne Knopf" als erstes staatliches Textilsiegel vor einem Jahr eingeführt - das Lieferkettengesetz ist indes weiter in der Schwebe.

Autor/in:
Anna Mertens
Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegel "Grüner Knopf" / © Britta Pedersen (dpa)
Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegel "Grüner Knopf" / © Britta Pedersen ( dpa )

Oft hatte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vom "Grünen Knopf" gesprochen. So oft, dass der Glaube an die Verwirklichung des Vorhabens stark ins Wanken geraten war. Und doch wurde das staatliche Textilsiegel vor einem Jahr am 9. September Realität. Ein Jahr später bieten rund 50 Unternehmen Kleidung mit "Grünem Knopf" an, darunter Aldi und Lidl, Tchibo und Vaude oder Hessnatur, weitere Dutzend Unternehmen befinden sich laut Ministerium im Prüfprozess. Viel Zeit zum Feiern hat der Minister nicht, er steckt in der nächsten politischen Großbaustelle: dem Entwurf für das Lieferkettengesetz.

Bescheinigung für kologisch und sozial nachhaltige Produktion

Das staatliche Siegel "Grüner Knopf" soll eine ökologisch und sozial nachhaltige Produktion in der Lieferkette bescheinigen. Damit Firmen es verwenden dürfen, müssen nicht nur die Produkte, sondern auch die Unternehmen selbst knapp 50 Kriterien hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Umweltschutz erfüllen. Dazu gehören etwa die Einhaltung von Mindestlöhnen oder das Verbot von bestimmten gefährlichen Chemikalien, Zwangsarbeit. Unabhängige Prüfer wie der Tüv und die Dekra sollen kontrollieren, ob die Standards eingehalten werden.

Noch durchläuft das Siegel eine Einführungsphase. Bis Ende Juni 2021 bezieht sich der "Grüne Knopf" lediglich auf die Produktionsschritte Färben und Bleichen, Nähen und Zuschneiden. Baumwollanbau, Faserproduktion sowie Spinnen und Weben kommen erst später hinzu. Existenzsichernde Löhne werden ebenfalls nur als späteres Ziel in den Blick genommen.

Ministerium zieht positive Bilanz

Das Ministerium zieht nach einem Jahr eine positive Bilanz. Im ersten Halbjahr seien rund 50 Millionen Textilien mit dem "Grünen Knopf" verkauft worden - ein Marktanteil von anderthalb bis drei Prozent. Der "Grüne Knopf" sei dabei, "sich solide am Markt zu etablieren".

Ob die Verbraucher das auch so sehen, scheint weniger eindeutig. So kommt eine repräsentative Erhebung der GfK-Marktforscher im Auftrag des Ministeriums zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel der Verbraucher das staatliche Gütesiegel kennen. Von ihnen halten 70 Prozent das Siegel für vertrauenswürdig.

Verbraucherzentrale Bundesverband sieht noch Luft nach oben

Die Christliche Initiative Romero begrüßt das Siegel grundsätzlich, findet es aber inakzeptabel, dass der "Grüne Knopf" weiterhin nicht existenzsichernde Löhne fordere und noch nicht alle Stufen der Lieferkette abdecke. "Für uns ist ein Nachschärfen des Siegels überfällig und grundsätzlich ein Lieferkettengesetz nötig", sagt Referentin Sandra Dusch Silva auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverband vermittelt der "Grüne Knopf" als freiwilliges Siegel zwar mehr Orientierung. "Nach einem Jahr zeigt sich jedoch: Bei den großen Textilketten ist das Siegel noch nicht angekommen. Dort muss es aber zukünftig wesentlich stärker sichtbar werden, um viele Verbraucher zu erreichen", sagt Vorstand Klaus Müller auf Anfrage. Auch er fordert daher weiterhin ein Lieferkettengesetz, so wie Misereor oder Brot für die Welt und viele andere.

"Ein freiwilliges Label alleine wie der 'Grüne Knopf' entfaltet zu wenig Wirkung", sagt Verbraucherschützer Müller. Vielmehr brauche es eine zivilrechtliche Haftung innerhalb eines Lieferkettengesetzes, damit bei Katastrophen wie dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 auch deutsche Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Nächster Schritt: Lieferkettengesetz

Ein Lieferkettengesetz wollen auch Entwicklungsminister Müller und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) - der Koalitionsvertrag sieht es ebenfalls vor. Denn die Ergebnisse zweier Umfragen unter Unternehmen, wie sie die freiwilligen Sorgfaltspflichten des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte umsetzen, waren mehr als ernüchternd. Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen erfüllt die Vorgaben.

Doch der Teufel steckt im Detail. Erste Eckpunkte des Gesetzes riefen großen Protest der Industrie, Arbeitgeber und des Handels hervor. Vor allem die Haftungsfrage und die Größe der betroffenen Unternehmen sind Streitpunkte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte daher Heil und Müller im Frühsommer bereits ausgebremst und bremst weiter. Noch heißt es, der Gesetzentwurf solle im September ins Kabinett.


Gerd Müller / © Rainer Jensen (dpa)
Gerd Müller / © Rainer Jensen ( dpa )
Quelle:
KNA
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