"Grüner Knopf" für faire Kleidung soll Nachhaltigkeit fördern

"Menschlichkeit, Humanität und Gerechtigkeit"

Dutzende Siegel für Textilien locken Käufer bereits. Bei weitem nicht alle stehen für etwas Gutes. Das soll beim staatlichen "Grünen Knopf" zwar anders sein. Doch Kritiker sehen große Lücken und warnen sogar.

Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegel "Grüner Knopf" / © Britta Pedersen (dpa)
Anstecker mit dem Symbol des staatlichen Textilsiegel "Grüner Knopf" / © Britta Pedersen ( dpa )

Ein "Grüner Knopf" soll ab sofort ökologisch und sozial fair hergestellte Kleidung und Textilien auf einen Blick erkennbar machen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) stellte das neue staatliche Textilsiegel am Montag in Berlin vor. Es soll Verbrauchern dabei helfen, nachhaltige Produkte zu finden und zu kaufen.

Müller selbst betonte, dass er mit gutem Beispiel vorangehe, indem er etwa auf den Anzug von Hugo Boss verwies, den er trug und den er sich erst in der vergangenen Woche gekauft habe. Das Unternehmen soll in wenigen Wochen den "Grünen Knopf" verwenden dürfen, sagte der Minister.

"Grüner Knopf" steht für 46 soziale, ökologische und menschenrechtliche Kriterien

Neben ihm saßen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie Vertreter von Tchibo und Vaude, zwei Firmen, die bereits jetzt für Teile ihrer Produkte das Siegel verwenden dürfen. Das Label sei nur ein erster Schritt, aber damit müsse man immer beginnen, sagte Bedford-Strohm.

Der "Grüne Knopf" steht für 46 soziale, ökologische und menschenrechtliche Kriterien, die Hersteller und ihre Produkte erfüllen müssen. Dazu gehören etwa das Verbot von bestimmten gefährlichen Chemikalien, Zwangsarbeit oder die Einhaltung von Mindestlöhnen. Unabhängige Prüfer wie der Tüv und die Dekra sollen kontrollieren, ob die Standards eingehalten werden.

Zum Start können 27 Unternehmen ihre Produkte freiwillig mit dem Etikett auszeichnen. Auch Aldi, Lidl, Rewe und Trigema sind dabei, neben kleineren Firmen und dem etablierten Nachhaltigkeitsanbieter hessnatur. 26 weitere Unternehmen wie Hugo Boss und Otto werden noch geprüft. Wie viele ihrer Produkte die Firmen jeweils mit "Grünem Knopf" versehen, ist ganz unterschiedlich: Tchibo etwa startet mit zehn Prozent und will den Anteil nach und nach steigern. Bei Vaude sind es hingegen direkt 98 Prozent.

Die Textilbranche sei mit dem Siegel Vorbild für andere Branchen, meinte der Minister. Die Branche zeige, dass es möglich sei, soziale und ökologische Standards einzuhalten. Es gehe um Menschlichkeit, Humanität und Gerechtigkeit in den Lieferketten. Auch die öffentliche Beschaffung solle sich künftig am "Grünen Knopf" orientieren. Müller begründet seinen Vorstoß auch mit dem verheerenden Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im April 2013. Die Katastrophe sorgte für viel Entsetzen über die Bedingungen in der Branche.

Die Kritik am "Grünen Knopf" riss indes zum offiziellen Start nicht ab. Unzählige Organisationen und Verbände begrüßten zwar prinzipiell die Initiative, forderten aber zugleich mehr Verbindlichkeit. Stichwort: Lieferkettengesetz. Nur eine gesetzliche Pflicht zur Wahrung der Menschenrechte werde tatsächlich etwas ändern, hieß es von Brot für die Welt über Misereor bis hin zu Greenpeace und dem Verbraucherzentrale Bundesverband. Am Dienstag wollte ein Bündnis den Forderungen noch mal Nachdruck verleihen.

Warnung vor "Grünem Knopf"

Deutliche Worte fand die christliche Initiative Romero, die vor dem "Grünen Knopf" warnte. "Wir können dem Siegel nicht vertrauen", sagte der Experte der Initiative für Kleidung, Maik Pflaum, dem SWR. Er habe "größte Bedenken, dass es sogar nach hinten losgeht". Standards existierender Textilsiegel könnten ausgehöhlt werden.

Auch die Textilbranche selbst sparte nicht mit Kritik. Das Siegel schaffe "mehr Siegelunklarheit als Siegelklarheit", sagte die Präsidentin des Gesamtverbands textil+mode, Ingeborg Neumann. Sie warnte davor, dass international etablierte Siegel und Zertifizierungssysteme Schaden nähmen.

Müller droht immer wieder mit einer gesetzlichen Pflicht, sollte der freiwillige Ansatz nicht ausreichen - und dazu äußerte er sich am Montag skeptisch. Derzeit befragt die Regierung Unternehmen aus vielen Branchen, ob sie die Menschenrechte in ihren Lieferketten einhalten. Fällt das Ergebnis zu schlecht aus, wollen Union und SPD ein Gesetz auf den Weg bringen.

Bis Ende Juni 2021 ist für den "Grünen Knopf" indes zunächst eine Einführungsphase vorgesehen. In dieser Zeit bezieht sich das Siegel lediglich auf die Produktionsschritte Färben und Bleichen sowie Nähen und Zuschneiden. Baumwollanbau, Faserproduktion sowie Spinnen und Weben kommen erst später hinzu. Existenzsichernde Löhne werden ebenfalls nur als späteres Ziel in den Blick genommen.


Gerd Müller / © Rainer Jensen (dpa)
Gerd Müller / © Rainer Jensen ( dpa )
Quelle:
KNA