Kirchentag diskutiert über aktuelle Krise und deutsche Geschichte - Zahlreiche Bundespolitiker beim Protestantentreffen in Bremen

In Richtung Verantwortungsgesellschaft

Debatten über verantwortliches Handeln in der Wirtschaftskrise und die Geschichte und Zukunft der Demokratie in Deutschland haben den Auftakt des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Bremen bestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief am Donnerstag zu Engagement für Freiheit und Demokratie auf. Bereits bei der Eröffnung am Mittwochabend hatte Bundespräsident Horst Köhler gemeinsame Anstrengungen gefordert, um die Welt gerechter zu machen. Kirchentagspräsidentin Karin von Welck sagte, der Kirchentag wolle die Gesellschaft dazu aufrufen, zu einer Verantwortungsgesellschaft zu werden.

 (DR)

Das fünftägige Protestantentreffen wurde mit Gottesdiensten und einem bunten Straßenfest eröffnet. Es steht unter dem bibischen Leitwort «Mensch, wo bist du?». Zu den rund 2.500 Veranstaltungen werden etwa 100.000 Dauerteilnehmer erwartet. Nach den Eröffnungsgottesdiensten feierten rund 300.000 Menschen auf dem anschließenden Abend der Begegnung in der Bremer Innenstadt.

Bundespräsident Köhler sagte vor 50.000 Menschen auf der Bremer Bürgerweide, gerade in der Krise gebe es die Versuchung, sich auf «eigene Faust» durchzuschlagen. Egoismus könne aber nicht länger die Antwort sein.

Am Donnerstag kamen zahlreiche Bundespolitiker zum Kirchentag.
Kanzlerin Merkel rief dazu auf, sich in Vereinen und Initiativen starkzumachen. Zur Demokratie gehöre auch die Toleranz. Deren Grenzen seien jedoch im Grundgesetz mit dem Recht auf Menschenwürde klar definiert. Unter großem Beifall forderte sie eine «Intoleranz gegen Extremismus».

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich erneut für die Aufnahme ehemaliger Häftlinge des US-Gefangenenlagers Guantánamo durch europäische Länder aus. Guantánamo habe nicht nur die Glaubwürdigkeit Amerikas, sondern die Glaubwürdigkeit des gesamten Westens beschädigt.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verlangte angesichts der Wirtschaftskrise eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte. Er widersprach zudem Darstellungen, in Deutschland würden Zuwanderer kriminalisiert. Migranten dürften nicht durch unsachliches Gerede unter Generalverdacht gestellt werden.

Die SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, Gesine Schwan, rief zu radikalen Reformen im deutschen Bildungssystem auf. Künftig müsse Teilhabe für alle Menschen im Mittelpunkt stehen. «Wir müssen die Vielfalt aller Talente fördern», betonte die Wissenschaftlerin und erteilte der Ausbildung von Eliten eine Absage.

Bei einer Diskussionsrunde zu 60 Jahren Grundgesetz unterstrich Altbundespräsident Richard von Weizsäcker die Bedeutung der Verfassung für die Bürgerdemokratie. Diese sei 1949 in Deutschland erstmals zur Lebensform erhoben worden, sagte Weizsäcker. Allerdings sei die Demokratie «gefährdet durch Abschalten, Gleichgültigkeit, Wahlenthaltung und das Gefühl, die da oben machen doch, was sie wollen».

Auch der Kirchentag feiert in Bremen sein 60-jähriges Bestehen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber sagte, die Kirchentagsbewegung habe in der Bevölkerung das Bewusstsein für politische Verantwortung «maßgeblich geschärft».

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