DOMRADIO.DE: Hinter uns liegt eine volle Bundestagswoche. Geht es in dieser Woche nahtlos so weiter?
Anna Mertens (Hauptstadtkorrespondentin der Katholischen Nachrichten-Agentur): Es dürfte ohne Bundestag- oder Bundesratssitzung etwas ruhiger werden, auch wenn Kanzler Friedrich Merz und seine Minister volle Terminkalender haben. In der vergangenen Woche wurde nicht nur der umstrittene Entwurf des Haushalts für das laufende Jahr vorgestellt, es wurden auch zahlreiche Gesetze im Bundestag verabschiedet.
Viel Diskussion gab es beispielsweise über die Aussetzung des Familiennachzugs für nach Deutschland Geflüchtete mit eingeschränktem Schutzstatus. Diese dürfen absehbar keine engen Angehörigen wie Ehepartner, Eltern oder Kinder mehr nach Deutschland nachholen. Dann gab es am Wochenende noch den SPD-Parteitag mit einer breiten Themenpalette und vielen Diskussionen.
DOMRADIO.DE: Welchen wichtigen Kanzler- und Ministertermin gibt es in diesen Tagen?
Mertens: Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan ist ab diesem Montag für einige Tage im spanischen Sevilla bei der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung. Das Ergebnis der Konferenz und die Positionierung Deutschlands dürften nicht nur von Nichtregierungsorganisationen, sondern auch von den beiden großen Kirchen aufmerksam beobachtet werden.
DOMRADIO.DE: Worum geht es bei der UN-Konferenz?
Mertens: Es geht um die weitere Finanzierung der globalen Nachhaltigkeitsziele, der sogenannten Agenda 2030. Letztlich muss die Finanzierung neu aufgestellt werden. Hierzu ist ein Abkommen geplant, der sogenannte Kompromiss von Sevilla. Dieser wurde über Monate bereits verhandelt. Das ist insbesondere relevant, da viele große Geber, vor allem die USA, ihre Mittel für Entwicklungshilfe drastisch gekürzt haben. Die USA haben sich als Folge auch aus den Verhandlungen für Sevilla zurückgezogen. Nichtsdestotrotz erhofft sich Ministerin Alabali-Radovan nach eigener Aussage einen "starken Impuls für die Bedeutung der internationalen Gemeinschaft" von der Konferenz.
DOMRADIO.DE: Auch Deutschland verringert die Mittel, wie reagieren Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Hilfswerke darauf?
Mertens: Die Enttäuschung und das Entsetzen über die Kürzung der Mittel ist groß. Beispielsweise hat das Auswärtige Amt entschieden, keinerlei Mittel mehr an die private Seenotrettung zu geben, was sehr viel Kritik hervorgerufen hat. Gerade in Zeiten mit mehr Krisen und Kriegen, größeren Klimakatastrophen ist aus Sicht der Zivilgesellschaft ein Kürzen von Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe fatal.
Hierzu wird sich auch das Entwicklungshilfswerk Misereor in seiner jährlichen Jahrespressekonferenz in dieser Woche in Berlin positionieren. Das Hilfswerk zieht einerseits eine Bilanz der eigenen Arbeit, aber lenkt auch den Blick auf das Agieren der Bundesregierung in Deutschland und bei der Konferenz in Sevilla.
DOMRADIO.DE: Wie begründet die Bundesregierung die Mittelkürzung?
Mertens: Die Bundesregierung sagt, dass es Haushaltsvorgaben gibt und entsprechend überall gespart werden muss. Ministerin Alabali-Radovan sprach von schmerzhaften Vorgaben. Daher soll mehr priorisiert werden bei der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe. Der Fokus soll in Zukunft aber auch stärker auf der Bekämpfung von Fluchtursachen liegen. Und Deutschland setzt auf mehr Privatinvestitionen durch Unternehmen und Förderer.
Das Gespräch führte Carsten Döpp.