Hocherfreut zeigte sich die deutsche Politik über den neu gewählten Papst Leo XIV. Wie wichtig es sei, einen Mahner für Gerechtigkeit zu haben, der zudem durch seinen internationalen Hintergrund die Perspektiven verschiedener Lebensrealitäten der Welt zusammenbringen könne. In der Tradition der Katholischen Soziallehre formulierte Papst Leo XIV. dann auch in diesem Monat zum Welttag der Armen: "Armut hat strukturelle Ursachen, die angegangen und beseitigt werden müssen." Staaten sieht er in der Pflicht, entschlossen der Armut entgegenzutreten. Der Mahner hat gemahnt.

Doch als realpolitische Orientierung nehmen wohl nur wenige der Regierenden die päpstlichen Botschaften ernst. Konnte Leo, als er noch Kardinal Prevost war, offen dem US-Vizepräsidenten J.D. Vance entgegnen, dass dessen Absage an internationale Solidarität mit Verweis auf den augustinischen "ordo armoris" nicht haltbar sei, verbietet sein Amt ihm heute solch konkrete Repliken. Schön wäre es aber schon zu wissen, was er zum aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung sagen würde. Zumindest zu jenen Mitteln, die für humanitäre Hilfe, also Kriseninterventionen in den ärmsten Ländern und für Entwicklungskooperationen mit den wirtschaftlich schwächsten Ländern der Erde vorgesehen sind.
Ein weiterer Rückschritt
Denn der in dieser Woche vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf markiert einen weiteren Rückschritt vom ursprünglichen Versprechen, mindestens 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft für die Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden aufzubringen. Die Mittel für humanitäre Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes sollen um unglaubliche 53 Prozent auf eine Milliarde Euro gekürzt werden. Der Etat des Entwicklungsministeriums (BMZ) soll um 8 Prozent auf 10,28 Milliarden Euro sinken, also knapp eine Milliarde weniger, wie bereits in den beiden Vorjahren. Diese Zahlen sind auch nicht mit den allgemeinen Sparbemühungen zu erklären. Die Gelder für die solidarische internationale Zusammenarbeit sollen überproportional reduziert werden, sodass der Anteil des BMZ am Gesamthaushalt auf das tiefste Niveau seit 10 Jahren absinkt. Um knapp ein Viertel wurden die Entwicklungsgelder seit 2022 zurückgefahren.

Dass der Bedarf an Hilfe und Unterstützung in der Welt in den vergangenen Jahren jedoch mitnichten geringer geworden ist, liegt auf der Hand. Weltweit leben rund 700 Millionen Menschen in extremer Armut. Mehr als 300 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, weil sie in Kriegs- oder Krisenregionen leben. Über 100 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Die Hälfte davon sind Kinder. Alle diese Menschen sind unverschuldet in Not. Sie wurden schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort geboren, um hinreichend am globalen Wohlstand teilzuhaben.
Nicht nur eine moralische Pflicht
Mindestens drei Gründe sprechen gegen die drastischen Kürzungen im Bundeshaushalt. Den ersten, normativen Grund wagt man im aktuellen politischen Klima kaum mehr zu nennen: Es ist die moralische Pflicht des reichen Deutschlands, Not zu lindern und Menschen in Armut zu helfen. Dadurch gefährden wir nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand, sondern – und das ist das zweite Argument – etablieren unser Land weiter als verlässlichen Partner, mit dem gerne Handel getrieben wird, dessen Waren und Dienstleistungen gekauft werden.
Aktuell sind es die chinesischen Staatsfonds, die jene Lücke schließen, die die Vereinigten Staaten mit ihrem Rückzug nach der weitgehenden Zerschlagung von USAID hinterlassen haben. China weiß, dass sich die Hilfsgelder langfristig rechnen, weil sie Wege zu Rohstoffen und sich entwickelnden Absatzmärkten eröffnen. Schließlich nimmt sich Deutschland die Chance, als Zielland für qualifizierte Migration attraktiver zu werden, obwohl unsere Arbeitsmärkte so dringend auf Menschen auch aus dem Globalen Süden angewiesen sind.
Letzteres ist ein vernachlässigter Bereich der Haushaltsplanung und sollte eigentlich Teil des beschlossenen "Investitionsboosters" sein. Denn nichts anderes sind Gelder, die ausgegeben werden, um fair, ethisch orientiert, transparent und nachhaltig Fachkräfte aus den Partnerländern für ein Leben und Arbeiten in Deutschland zu begeistern. Jeder Euro, der in zivilgesellschaftliches Recruiting durch und mit den Partnern in Afrika, Asien und Lateinamerika investiert wird, kommt durch Wertschöpfung, Steuern und Beiträge in den Sozialversicherungen um ein Vielfaches nach Deutschland zurück.

Statt sich an jenen Ländern der OECD zu orientieren, die schon lange viel zu wenig internationale Solidarität üben und diese als Rechtfertigung für eigene Streichungen nutzen, gilt es auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mutig zu investieren. Davon profitieren mittelfristig alle.
Und Leo XIV.? Er mahnt weiter: Das unzumutbare Missverhältnis zwischen einem riesigen Reichtum, der in den Händen einiger weniger konzentriert sei, und den Armen dieser Welt müsse überwunden werden, so rief er Abgeordneten aus 68 Ländern letzte Woche zu. Möge er gehört werden, wenn der Haushalt im Bundestag beraten und beschlossen wird.
Informationen zum Autor:
Dr. Markus Demele ist Generalsekretär von Kolping International
