In Italien mehr Ukraine-Flüchtlinge als übers Mittelmeer

"Keine Invasion oder Bedrohung"

Laut einem Bericht sind in Italien bisher mehr Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen, als im Jahr 2021 Migranten auf dem Seeweg landeten. Der Luxemburger Kardinal Hollerich erinnert dabei an die Menschen, die ihr Leben verloren haben.

Autor/in:
Roland Juchem
Flüchtlingscamp in Italien / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Flüchtlingscamp in Italien / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Das geht aus dem Jahresbericht der Hilfsorganisation Centro Astalli hervor, der am Dienstag im Rom vorgestellt wurde. Demnach kamen im vergangenen Jahr 67.040 Migranten übers Mittelmeer nach Italien; laut Angabe des Innenministeriums in Rom sind seit Ende Februar mittlerweile 91.000 Menschen aus der Ukraine nach Italien geflohen.

Kardinal Hollerich: "Schande für unsere Zivilisation"

Die Aufnahme der Ukrainer zeige, dass diese Menschen "weder eine Invasion noch eine Bedrohung für unsere Sicherheit" darstellten, heißt es in dem Bericht. Die Zahl der Migranten, die 2021 auf dem Seeweg nach Italien gelangten, ist fast doppelt so hoch wie im Jahr 2020. Damals waren es 34.154. Verdoppelt hat sich den Angaben zufolge auch die Zahl unbegleiteter Minderjähriger: von 4.487 im Jahr 2020 auf 9.478 im vergangenen Jahr.

Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich erinnerte bei der Präsentation an die 24.600 Migranten, die seit 2014 in Europa, insbesondere im Mittelmeer, ihr Leben verloren hätten. "Das ist inakzeptabel, ein Skandal für das menschliche Gewissen, eine Schande für unsere Zivilisation", so der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE. Ebenso wenig hinnehmbar seien "Misshandlungen, Folterungen, Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe in Libyen". Europas Länder dürften keine "Vereinbarungen mit Kriminellen treffen, die Menschen versklaven".

Sein Beitrag wurde online zugeschaltet, da Hollerich sich wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne befindet. Der Kardinal appellierte an die "christlichen Schwestern und Brüder, Bürgerinnen und Bürger, EU-Institutionen und politisch Verantwortliche, sich zusammenzuschließen, um unser Europa zu einem besseren Ort für alle zu machen".

Hilfsdienst der Jesuiten

Der Leiter des Centro, Camillo Ripamonti, kritisierte, das Thema Migration verschwinde aus den Medien, "aber die Misshandlungen in Libyen, die Toten auf See und die wahllosen Zurückweisungen an den Grenzen hören nicht auf".

Centro Astalli, ein vom Jesuiten-Orden getragener Hilfsdienst für Flüchtlinge und Migranten, besteht seit 40 Jahren. Mit derzeit 54 Angestellten und über 600 Freiwilligen betreibt er in Italien mehrere Einrichtungen. Dem Bericht zufolge wandten sich im abgelaufenen Jahr insgesamt 17.000 Menschen an die Ansprechstellen; 10.000 davon an die Zentrale in Rom. Weitere Einrichtungen des Centro Astalli gibt es in den Regionen Trient, Padua, Bologna, Neapel, Palermo und Catania.

Quelle:
KNA
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