Frühjahrs-Vollversammlung in Würzburg: Kardinal Lehmann fordert Gottesbezug in der EU-Verfassung und warnt vor "Ökumene der Profile"

Abschied

Mit einem Gottesdienst hat am Montagabend offiziell die Frühjahrs-Vollversammlung der Bischofskonferenz begonnen. Im Mittelpunkt der vier Tage von Würzburg stand bis Dienstag die Frage: Wer beerbt den aus seinem Amt als Vorsitzender scheidenden Kardinal Karl Lehmann?
Eine Bilanz des scheidenden Kardinals bestimmte den Auftagt der Vollversammlung.

 (DR)

Bei der Bilanzierung seiner 21-jährigen Amtszeit ging der Bischof von Mainz besonders auf die Ökumene und die Wiedervereinigung ein. Lehmann betonte, es gebe keine Alternative zur Ökumene. Zudem sprach er sich für einen Gottesbezug in der EU- Verfassung aus. Ein Hinweis auf die christlichen Wurzeln Europas und der Formulierung mancher Grundrechte dürfe man nicht ruhen lassen.

Lehmann warnte vor einer "Ökumene der Profile". Dieses Konzept wolle zwar die Identität der Kirchen stärken, laufe aber Gefahr, alte Abgrenzungsstrategien zu beleben, sagte der 71-Jährige. Über Wachstumskrisen und momentane Rückschläge werde man hinwegkommen müssen. Auch wenn "da und dort einiges ins Stocken geraten" sei, gebe es keine "Eiszeit".

Positive Ansätze sieht der Kardinal in der von beiden Kirchen getragenen "Woche für das Leben" und in gemeinsamen sozialethischen Stellungnahmen. Weiter nannte er den Einsatz für den Schutz des Sonntags und das 1997 erschienene gemeinsame Sozialwort für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Chancen für weitere Fortschritten in der Ökumene sieht Lehmann im Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München, im Reformationsjubiläum 2017 und in der Wiederaufnahme theologischer Gespräche.

Auch Rückschläge
Zu den Rückschlägen rechnete Kardinal Lehmann die "Preisgabe" der Einheitsübersetzung der Bibel in den ökumenischen Gottesdiensten oder die Entwicklung des Ordinations- und des Amtsverständnisses in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auch manche Äußerungen in katholischen Verlautbarungen seien problematisch gewesen.

Zu den herausragenden Ereignissen seiner Amtszeit zählt Lehmann die Deutsche Einheit. Noch immer seien die Folgen der kommunistischen Herrschaft in den Seelen der Menschen zu spüren. Damit hänge eine geistige und spirituelle Verarmung zusammen.

Gottesdienst am Abend
In seiner Predigt am Abend mahnte Lehmann die Christen, Jesu Worte vom Jüngsten Gericht ernst zu nehmen. "Ein Gott, der nur liebt, jedoch nicht richtet, wäre ein Vergebungsautomat, mit dem man bloß spielen könnte", sagte der Kardinal.

"Barmherzigkeit und Erbarmen für alle sind die Nagelprobe des Glaubens." Nur sie könnten vor dem Weltgericht Gottes bestehen. Vor dem Angesicht leidender Menschen dürften Christen und die ganze Kirche nicht versagen.

Wahl eines neuen Vorsitzenden
Im Mittelpunkt der Vollversammlung, die am Donnerstag zu Ende geht, steht die Wahl eines neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz.

Kardinal Lehmann kandidiert aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für dieses Amt. Als mögliche Nachfolger werden der neue Münchner Erzbischof Reinhard Marx (54) und der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch (69) gehandelt. Die Neuwahl des Vorsitzenden soll am Dienstag stattfinden. Außerdem wollen sich die Bischöfe mit dem Thema Ehe und Familie sowie der Planung für das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene "Paulus-Jahr".

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