Abschied von Lehmann - Erzbischof Zollitsch will als neuer Vorsitzender Ökumene weiter voranbringen

"Glücksfall für Deutschland"

Mit einer Feierstunde hat die Deutsche Bischofskonferenz am Dienstagabend in Würzburg ihrem scheidenden Vorsitzenden, Kardinal Karl Lehmann (71), gedankt. Dessen Stellvertreter, Bischof Heinrich Mussinghoff, sprach von "21 guten Jahren" und würdigte den Kardinal als "herausragenden Repräsentanten" der Kirche. "Du bist ein Glücksfall für uns in Deutschland", sagte Mussinghoff. Die Konferenz hatte am Vormittag den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch (69) zum Nachfolger Lehmanns gewählt.

 (DR)

Der Aachener Bischof würdigte Lehmanns "geduldige, zielbedachte, sachorientierte und personengerechte Verhandlungsführung" in der Bischofskonferenz. Er habe Zeit zur Aussprache gegeben und jeden zu Wort kommen lassen. Lehmanns Präsenz in den Medien habe dem Ansehen der Kirche gut getan. Zugleich habe der Kardinal keine Angst gehabt, auch in unbequemen Fragen das Wort zu ergreifen. Glaubwürdig sei er deshalb gewesen, weil er ein suchender Mensch geblieben sei und nicht "ein fertiger Theologe, der stets schon alles weiß".

Kardinal Lehmann übernimmt den Vorsitz der Glaubenskommission der Bischofskonferenz vom scheidenden Münchener Kardinal Friedrich Wetter. Er behält damit ein einflussreiches Amt in der Konferenz. Zollitsch sagte, er habe nach seiner Wahl "die Luft anhalten müssen".

Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff bleibt stellvertretender Vorsitzender. Als Sekretär der Bischofskonferenz wurde Pater Hans Langendörfer gwählt

Zollitsch sagte in einem ersten Statement, er wolle in seinem neuen Amt dafür sorgen, dass die Kirche gesellschaftspolitisch präsent bleibe, in der Öffentlichkeit gehört werde und in der Ökumene vorankomme. Je enger die christlichen Konfessionen zusammenarbeiteten, desto glaubwürdiger seien die Christen in Deutschland.

Der Freiburger Erzbischof äußerte zugleich die Hoffnung auf ein gutes Verhältnis der Bischofskonferenz zum Vatikan. "Keiner von uns sucht Konflikte mit Rom, und ich hoffe nicht, dass es Krach mit dem Vatikan gibt", sagte er dem ZDF. Er werde aber auch in Rom die Positionen der Bischofskonferenz vertreten und das Gespräch mit dem Papst suchen.

"An unserer Bindung und Treue zum Heiligen Vater kann niemand zweifeln", erklärte der Freiburger Erzbischof. Dem Bayerischen Fernsehen sagte Zollitsch, er wolle "die Breite des Katholischen" zur Geltung bringen und möglichst viele Menschen "von der Mitte der Kirche aus mitnehmen". Intern dürfe auch kontrovers diskutiert werden, aber wenn ein Konsens gefunden sei, müsse diese Position auch gemeinsam vertreten werden.
Nach Angaben von Lehmann gab es vor der Wahl keine Personaldebatte.

Schon im zweiten Wahlgang habe sich eine deutliche Mehrheit für Zollitsch herausgestellt. Zollitsch betonte seine Nähe zu Lehmann. Er sehe kaum Unterschiede und wolle seine Arbeit fortsetzen. Der Freiburger Erzbischof unterstrich zudem, er und der neue Münchener Erzbischof Reinhard Marx hätten sich gegenseitige Hilfe versprochen.

Marx galt bei vielen als Favorit für die Lehmann-Nachfolge.
Zollitsch ist seit 2003 Oberhirte des von der Katholikenzahl her zweitgrößten deutschen Bistums. Dort hat er sich in kurzer Zeit den Ruf erworben, sein Erzbistum pastoral erneuert, organisatorisch im Griff und finanziell unter Kontrolle zu haben. Auch als langjähriger Personalchef im Erzbistum Freiburg sowie als Ausschussvorsitzender des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) und als Vorsitzender des VDD-Verwaltungsrats, der für die Finanzen dieses bundesweiten Dachverbandes der deutschen Bistümer zuständig ist, ist er mit Finanz-, Personal- und Organisationsfragen vertraut.

Wie Kardinal Lehmann gilt Zollitsch kirchenpolitisch als Mann der Mitte. Der Geistliche wurde in Filipovo (Philippsdorf) im ehemaligen Jugoslawien als Volksdeutscher geboren. Nach der Vertreibung kam die Familie 1946 nach Baden. Zollitsch gehört der Gemeinschaft der Schönstätter Diözesanpriester an.
Mussinghoff ist seit 1995 Aachener Bischof. Im münsterländischen Coesfeld geboren, wurde er 1968 zum Priester geweiht. Die Doktorarbeit über "Theologische Fakultäten im Spannungsfeld von Staat und Kirche" erbrachte ihm unter Kirchenrechtlern viel Anerkennung.

1981 übernahm er die Leitung des Diözesan-Gerichtshofs in Münster, der in kirchlichem Eherecht profiliert ist. Inzwischen gehört er dem obersten Gericht der Kirche, der Apostolischen Signatur in Rom, an und ist weltweit als Experte für Staatskirchenrecht anerkannt.