Früherer Patriarch in Nahost fordert Einheit der Palästinenser

"Parteiinteressen stehen vor dem Wohl Palästinas"

Nach 100 Jahren Nahostkonflikt stehen die Palästinenser vor dem Ende ihrer Existenz, sagt das emeritierte Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land. Ein evangelischer Amtsbruder prangert den "christlichen Zionismus" an.

Palästinensische Kinder in Chan Junis / © Abed Rahim Khatib (shutterstock)
Palästinensische Kinder in Chan Junis / © Abed Rahim Khatib ( shutterstock )

Der frühere Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah (92), hat die Palästinenser zu Einigkeit im Kampf für ihre Rechte aufgerufen. 

"Wir sind in Parteien gespalten, das ist unser Problem. Die Parteiinteressen stehen vor dem Wohl Palästinas", sagte Sabbah, der selber Palästinenser ist, in einem Online-Gespräch mit Journalisten und Religionsführern aus der Region am Montagabend. "Ich frage die Hamas im Gazastreifen, ich frage die Fatah im Westjordanland, ich frage die PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas): Was steht im Mittelpunkt? Eure Führer und die Partei an der Macht zu halten oder Palästina am Leben zu erhalten?"

Michel Sabbah, emeritierter Lateinischer Patriarch von Jerusalem / © Corinne Simon (KNA)
Michel Sabbah, emeritierter Lateinischer Patriarch von Jerusalem / © Corinne Simon ( KNA )

Gut 100 Jahre nach Beginn des Nahostkonflikts stünden die Palästinenser angesichts des Gazakriegs vor dem Ende ihrer Existenz als Volk. "Israel will den Tod Gazas", so der emeritierte Jerusalemer Patriarch, von 1987 bis 2008 Oberhaupt der römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Die israelische Regierung stelle die Palästinenser vor die Forderung: "Verlasst euer eigenes Haus!" 

Dagegen müssten sie vereint und friedlich Widerstand leisten. Diese Strategie würde aus Sabbahs Sicht auch die schon jetzt große internationale Unterstützung für die Rechte der Palästinenser weiter verstärken.

Vorwurf gegen christliche Zionisten

Der evangelisch-lutherische Bischof Munib Younan (74) wandte sich in dem Online-Gespräch scharf gegen die vor allem unter US-Evangelikalen verbreitete Strömung des "christlichen Zionismus". Demnach ist die Besiedlung des gesamten biblischen Gebiets Palästina durch das jüdische Volk die Voraussetzung für eine Wiederkehr Jesu Christi.

Bischof Munib Younan / © Norbert Neetz (epd)
Bischof Munib Younan / © Norbert Neetz ( epd )

Diese Interpretation der Bibel verstoße gegen die Heiligkeit des Lebens, sagte der Palästinenser Younan, von 2010 bis 2017 Präsident des Lutherischen Weltbundes. "Jesus war nicht parteiisch. Er hat jedes menschliche Wesen umarmt", betonte er.

Die christlichen Zionisten hätten viel Geld, Macht und Einfluss - "aber sie haben nicht den biblischen Text auf ihrer Seite", so der evangelische Bischof. Ihre Theorie von einem "gerechten Krieg" Israels gegen die Palästinenser bilde vielmehr die Rechtfertigung für einen Völkermord.

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)
Quelle:
KNA