Im Hof der lateinischen Pfarrei von Taibeh im Westjordanland zieht ein ungewöhnliches Bild Passanten in den Bann. Zwischen Kirche, Pilgerhaus und einer als "Haus der Gleichnisse" bekannten historischen Stätte ziert eine riesige rote Schleife die Motorhaube eines blauen Hyundai.
Das Auto wird verlost. 100 Schekel, umgerechnet 27 Euro, kostet ein Los für die Tombola. Der Erlös soll Christen im kriegsgebeutelten Gazastreifen zugutekommen. Eine von zahlreichen Aktionen, mit denen Pfarrer Baschar Fawadleh Gutes tun und zugleich Freude in seinem christlich-palästinensischen Dorf verbreiten will.

Mut zur Freude, ohne das Leid in Gaza und im ganzen Heiligen Land zu vergessen: Mit dieser Devise fordert Fawadleh die arabische Mentalität heraus. "Wir füllen die Traurigkeit ins Glas, heißt es auf Arabisch, bis kein Platz mehr ist für anderes", sagt der 39-Jährige - und geht bewusst andere Wege. Trotz des Gaza-Kriegs organisierte der gebürtige Jerusalemer Konzerte, Tanzvorführungen, einen Adventsmarkt und eine Weihnachtsoperette. Sich selbst sieht er in der Rolle eines "guten Fundraisers".

Wie bei der bevorstehenden Tombola ging der Erlös nach Gaza. "Als erste Gemeinde haben wir Gaza schon in der ersten Kriegswoche mit 15.000 Schekeln [ca. 4.000 Euro] unterstützt. Im vergangenen Sommer haben dann Menschen aus Taibeh in der Diaspora mit weiteren 50.000 Dollar [48.000 Euro] geholfen", erzählt Fawadleh stolz. Probleme gebe es in der Region genug. Der Geistliche spricht von Krieg, "Völkermord" und anhaltender israelischer Besatzung. "Heißt das aber, dass ich Weihnachten allein zu Hause feiern muss?", fragt er.
Priester sieht Freude als Pflicht
Die Antwort gibt der katholische Priester des 1.300-Einwohner-Dorfes selbst. Christen müssten sich freuen, quasi qua Religion: "Der heilige Paulus sagt, als Christen freuen wir uns allezeit im Herrn. Am Ende wird die Freude siegen, trotz aller Herausforderungen." Bethlehem zum zweiten Weihnachtsfest in Folge ohne Weihnachtsbaum, ohne die übliche Festbeleuchtung und ohne traditionelle Dudelsack-Begleitung habe ihn besonders traurig gemacht, so Fawadleh. Schließlich müsse Freude an Weihnachten an erster Stelle stehen.

Die Worte sind nicht zuletzt eine Kritik an christlichen Politikern - wie in Bethlehem - die nicht den nötigen Mut aufbrächten. Und sie sind ein Seitenhieb gegen die Kirchenführer der Region, die 2023 aus Respekt vor den Kriegsopfern das Feiern auf religiöse Riten beschränkt hatten. "Wir haben Angst, uns zu freuen. Wir haben Angst vor uns selbst, vor den palästinensischen Muslimen. Ich habe vor niemandem Angst", sagt der Pfarrer von Taibeh trotzig.

Für ihn ist Freude untrennbar verbunden mit Hoffnung, und mit der Standhaftigkeit palästinensischer Christen beim Versuch, in der Heimat Jesu zu überleben. Vor dem Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober 2023 sei der Kalender seiner Pfarrei mit bis zu vier Pilgergruppen pro Tag bis über das Jahresende hinaus ausgebucht gewesen. Dann kam die Leere.
Gästehaus steht leer
Dass das Gästehaus der Schwestern vom Heiligen Kreuz von Jerusalem auf dem Pfarreigelände, von einzelnen Gästen abgesehen, auch jetzt noch leer steht, ärgert den streitbaren palästinensischen Geistlichen: "Die westliche Welt lebt in einem Traum von null Risiko. Als die Menschen im Mittelalter auf Pilgerreise gingen, waren sie bereits ab dem Tag in Gefahr, an dem sie das Haus verließen. Das Risiko ist Teil der Pilgerfahrt - nur leider hat man in Europa über den Krieg vergessen, was eine Pilgerfahrt ist."
Für die Christen von Taibeh hat das Ausbleiben der Pilger konkrete wirtschaftliche Folgen, wie auch der Wegfall von rund 180.000 israelischen Arbeitserlaubnissen für Palästinenser seit Oktober 2023. Die Lage sei katastrophal, die Auswirkungen der israelischen Besatzung nähmen zu, ebenso die Gewalt radikaler Siedler aus den umliegenden jüdischen Siedlungen, so Fawadleh. Der Weg ins knapp 20 Kilometer entfernte Ramallah etwa habe sich durch die zahlreichen neuen Straßenblockaden verdoppelt. Von Frieden spreche in der Gegend niemand.
An seinem großen Traum jedoch hält der Priester fest: "Eine unabhängige Heimat zu haben. Ohne Grenzen in ihr zu reisen. Nach Jerusalem, nach Haifa. Ohne Erlaubnis." Und dann seien da "die kleinen Träume", fügt er hinzu: "sicher nach Ramallah zu fahren, in zehn Minuten hin und zurück".