Die Ordensschwester wurde regelrecht hingerichtet: Dorothy Stang war auf dem Weg zu einer Gemeindeversammlung gewesen, als ein Mann sie im Wald außerhalb der Stadt Anapu, im brasilianischen Bundesstaat Pará, mit sechs Schüssen aus nächster Nähe tötete. Die Tat am 12. Februar 2005 sorgte für einen internationalen Aufschrei, denn längst war die in den USA geborene Ordensschwester in Brasilien eine Symbolfigur.
Die Missionarin der Schwestern von Notre Dame de Namur hatte sich Jahrzehntelang im Amazonas-Gebiet gegen die Abholzung und für die Rechte von Kleinbauern und Landarbeitern eingesetzt. Den Oligarchen war sie damit ein Dorn im Auge. Immer wieder war die 73-Jährige bedroht worden. Wenige Tage nach dem Mord wurden zwei Täter verhaftet. Ihr Auftraggeber, ein Großgrundbesitzer, soll ihnen dafür umgerechnet 15.000 Euro gezahlt haben.
Todesdrohungen und Kopfgeld
"Sie träumte von einem anderen, einem gerechten und solidarischen Amazonien, wo alle das Recht auf Leben haben", sagte der österreichisch-brasilianische Bischof Erwin Kräutler vom Bistum Xingu Altamira damals bei der Beerdigung. Er und Dorothy Stang hatten jahrelang eng zusammengearbeitet.
Auch Kräutler wurde immer wieder bedroht: Der mittlerweile emeritierte Bischof setzt sich seit Jahrzehnten für den Erhalt des Amazonas und die indigenen Völker ein. Vor allem mit seinem Protest gegen das gigantische Staudammprojekt Belo Monte und die Zwangsumsiedlung tausender Menschen machte er sich Feinde. Ende der 80er Jahre überlebte er knapp einen Mordanschlag, zwischenzeitlich wurde sogar ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt.
Gewalt nimmt zu
In Brasilien leben Aktivisten gefährlich, allein im vergangenen Jahr wurden der Nichtregierungsorganisation "Global Witness" zufolge zwölf Umweltschützer getötet, hunderte stehen unter Polizeischutz, weil sie bedroht werden. Die meisten Gewaltopfer sind Indigene oder Kleinbauern. Vor allem der rechtsextreme Ex-Präsident Jair Bolsonaro hatte in seiner Amtszeit mit seiner aggressiven Rhetorik die Gewalt angeheizt.
Das Gefühl der Unsicherheit sei größer geworden, bestätigt Paulo Sérgio Rodrigues: Er arbeitet für den Indigenen Missionsrat CIMI, der zur brasilianischen Bischofskonferenz gehört und seit vielen Jahren vom deutschen katholischen Lateinamerikahilfswerk Adveniat unterstützt wird. CIMI setzt sich für den Schutz von Land, Leben und Rechten Indigener ein, veröffentlicht regelmäßig Berichte über die Gewalt und Bedrohungen, unterstützt Fortbildung und Bewusstseinsbildung. Mehrere seiner Kollegen wurden bereits getötet, Sergio selbst wurde bedroht: "Wir gehen auf jeden Fall Risiken ein", sagt er.
Märtyrer des Amazonas
Menschen, die für den Schutz des Amazonas ihr Leben aufs Spiel setzen, will das Erzbistum Belém ehren, indem sie am Rande der Weltklimakonferenz an diesem Mittwoch eine "Caminhada dos Mártires da Casa Comum" organisiert, eine Gedenkprozession für alle jene, die wegen ihres Einsatzes für das "Gemeinsame Haus" Märtyrer wurden. Damit wolle man zeigen, dass es sich nicht um Protest handele, sondern um ein Zeugnis", sagt der Erzbischof von Belém, Júlio Endi Akamine SAC, "und dass ihr Opfer nicht umsonst war." Auch wenn die vielen Opfer nicht offiziell vom Vatikan anerkannt sind, ist er überzeugt: "Diese Menschen sind Zeugen und Vorbilder für Engagement, Nächstenliebe und den Glauben an Gott: Deshalb sprechen wir von Märtyrern."
Dorothy Stang wurde inzwischen auch offiziell vom Vatikan anerkannt: Erst im September benannte Papst Leo XIV. neue Märtyrer und Glaubenszeugen des 21. Jahrhunderts, unter denen auch die amerikanisch-brasilianische Ordensschwester war. "Denn ihr Martyrium trägt weiterhin dazu bei, das Evangelium in einer von Hass, Gewalt und Krieg gezeichneten Welt zu verbreiten", sagte der Papst bei den Feierlichkeiten. Stang habe ihrem Mörder die Bibel entgegengehalten und gesagt: "Das ist meine einzige Waffe!" Sie stehe für die Hoffnung, die nicht auf Gewalt, sondern auf die Kraft des Evangeliums setze. Auch wenn sie getötet wurde, sei niemand in der Lage, "ihre Stimme zum Schweigen zu bringen!"