Kölner Innenstadtpfarrer plädiert für Verständnis in der Pandemie

"Dürfen uns nicht gegenseitig verteufeln"

2G, 3G, kein G? In den Kölner Innenstadtgemeinden wird zu Weihnachten alles angeboten. Domkapitular Dominik Meiering erhält deswegen Kritik von beiden Seiten. Er plädiert dafür, die Gemüter ein wenig abzukühlen.

Dominik Meiering / © Beatrice Tomasetti (DR)
Dominik Meiering / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Wie machen Sie das mit den G-Regeln, was gilt hier in den Kölner Innenstadt Gemeinden?

Dr. Dominik Meiering (Domkapitular und leitender Pfarrer für die Kölner Innenstadtkirchen): Wir haben die ganze Bandbreite, weil wir sagen, wir brauchen Gottesdienste mit 2G, 3G und ohne G. Besonders die, wo viele Kinder und alte Leute zu erwarten sind, also die Familiengottesdienste, die Krippenspiele und dergleichen, sind größtenteils mit 2G. Aber wir haben auch Gottesdienste ohne G, wo man dann aber natürlich entsprechend weiter auseinander sitzen muss und Abstand halten muss und all die Dinge, die coronamäßig damit verbunden sind. Wir haben gesagt, wir wollen sicherstellen, dass wirklich alle Menschen etwas finden können, sodass es ihnen gut geht.

Also wir wollen ja, dass wir irgendwie ein Weihnachtsfest auch in den Kirchen, den Gottesdiensten mit Leichtigkeit, Heiterkeit, Fröhlichkeit feiern können. Da soll jeder das finden können, was er braucht.

DOMRADIO.DE: Müssen Besucherinnen und Besucher sich denn vorher anmelden oder geht auch so ein spontaner Gottesdienstbesuch?

Meiering: Das ist eigentlich auf unseren Internetseiten ganz gut nachzuvollziehen. Die meisten Gottesdienste sind ohne Anmeldung, aber es gibt auch einige, die besonders stark frequentiert werden, wo wir Anmeldungen vorgesehen haben. Das findet man eigentlich ganz gut auf unserer Internetseite. Da kann man alle Gottesdienste oder jedenfalls die meisten in der Kölner Innenstadt finden.

DOMRADIO.DE: Sie haben uns vorab erzählt, dass Sie tatsächlich manchmal auch Kritik per Mail bekommen. In einer werden Sie zum Beispiel als "faschistischer Vollstreckungsgehilfe des Systems" bezeichnet. Wie gehen Sie damit um?

Meiering: Natürlich macht einen das im ersten Augenblick betroffen. Aber ich muss natürlich auch ein bisschen schmunzeln. Ich finde, wir sollten doch mal ein bisschen runterkommen, ein bisschen abkühlen und uns die Frage stellen, was uns denn hilft? Ich finde, was die Gottesdienste betrifft, hilft es vielen Menschen, wenn wir 2G machen. Da lasse ich mich auch nicht von abschrecken, denn wir wollen doch am Ende sicher durch dieses Weihnachtsfest und bestenfalls perspektivisch auch durch die Pandemie durchkommen.

Ich glaube, es ist schlecht, wenn wir uns gegenseitig verteufeln. Also wenn man dem einen jetzt nur vorwirft, man würde "System-Vollstrecker" sein und auf der anderen Seite Menschen auch uns als Kirchen vorwerfen, wir seien Pandemie-Verstärker. Das habe ich nämlich auch noch gehört, weil unsere Gottesdienste weiter stattfinden. Das Leben findet ja irgendwie statt und muss ja irgendwie weitergehen. Ich finde, wir sollten ein bisschen runterkochen und versuchen miteinander solidarisch zu sein. Das finde ich jetzt wichtig in diesen Tagen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn auf diese Mails dann tatsächlich auch geantwortet und so etwas Ähnliches gesagt?

Meiering: Nicht auf alle, aber auf einige habe ich geantwortet. Manchmal spürt man schon, dass das Menschen sind, mit denen man vielleicht vorher sogar schon diskutiert hat. Ich will trotzdem nicht aufhören zu reden und zu sprechen.

Die Tage hatte ich noch jemanden, der sagte mir, ich brauche keine Impfung. Ich habe noch mal versucht zu erläutern, dass vielleicht der andere von ihm die Impfung braucht, damit wir hier solidarisch weitergehen können. Dass ich nicht nur mich selbst im Blick habe und was ich brauche, sondern was wir alle brauchen, unsere Gesellschaft. Ich möchte irgendwann wieder in ein normales Leben hineinfinden. Ich halte das Impfen für notwendig und gut. Da mache ich auch keinen Hehl draus. Aber wir müssen argumentieren und uns nicht gegenseitig verteufeln.

DOMRADIO.DE: Die Stimmung ist tatsächlich gerade höchst aufgeladen, sehr emotional, kippt immer wieder schnell Richtung Hass. Wie kommen wir da raus? Miteinander reden, Verständnis äußern? Was schlagen Sie vor, damit die Betriebstemperatur wieder so ein bisschen runter kühlt?

Meiering: Ich glaube, viele Menschen haben einfach Angst. Das sind die unterschiedlichsten Ängste auf allen Seiten. Damit umzugehen zu lernen ist eine Herausforderung. Wir brauchen auch ein bisschen Gottvertrauen. Es gibt ja auch diejenigen, die sagen, dass sie keine Sorgen und das schon überleben, wenn Corona kommt. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir als Gesellschaft insgesamt nur dann auf einem guten Weg gehen, wenn wir uns alle der Verantwortung stellen.

Wenn wir Angst oder andere Argumente haben, dann sollten wir darüber miteinander reden, versuchen die abzubauen. Ich finde Weihnachten ist eine gute Gelegenheit, irgendwie auch noch mal im Kopf umzudrehen, umzukehren. In der Bibel taucht das Wort Umkehr ja so häufig auf. "Metanoia", das heißt eigentlich neu denken, also andersherum denken. Warum hat der liebe Gott den Kopf rund gemacht? Damit sich das Denken in der Richtung verändern kann. Also ich finde es ist jetzt dran sich gegenseitig zu motivieren und aufzufordern.

DOMRADIO.DE: Sie haben auch im Netz auch eine Seite freigeschaltet. Da können sich alle informieren. Was genau hat es mit dieser Seite auf sich?

Meiering: Auf der Internetseite ist vom Adventskalender angefangen über Konzerte, Veranstaltungen, Führungen, Angeboten für Kinder und Familien, die Gottesdienste jetzt zu Weihnachten, aber auch schon zum Jahresschluss, zu Neujahr bis zu drei Könige alles zu finden. Da haben wir alles Mögliche drin. Das sind über tausend Veranstaltungen, die wir jetzt hier in der Advents und Weihnachtszeit haben. Viele davon sind dort veröffentlicht. Ich glaube, wenn man sich da so ein bisschen durchzappt, dann kann man ganz viele wunderbare, schöne Dinge finden, wo ich mir sicher bin, dass für jeden was dabei ist.

DOMRADIO.DE: Wir gehen auf Weihnachten zu, da darf man sich was wünschen. Was wünschen Sie sich in diesen nicht ganz einfachen Zeiten zu Weihnachten?

Meiering: Die Engel rufen ja "Fürchtet euch nicht!". Ich glaube, das ist eine wichtige Botschaft, die wir jetzt irgendwie dieses Jahresende, der zweite pandemische Advent, auf den Weg bringen sollten. Dieser Zuruf galt nicht nur damals vor 2000 Jahren, sondern der gilt uns heute auch. Das möchte ich mir eigentlich wünschen. Für mich selbst, aber auch für die Gesellschaft mit Ruhe und mit Gottvertrauen weiterzugehen. Zu tun, was wir können. Aber auch dem lieben Gott noch ein bisschen Raum und Kraft zu lassen zu wirken in den Herzen der Menschen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR
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