DOMRADIO.DE: Wer glaubt denn heute noch wirklich, dass Brot und Wein in der Eucharistiefeier zu Fleisch und Blut werden?
Prof. Dr. Jan-Heiner Tück (Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien): Der Glaube an die Realpräsenz, also dass Jesus durch die Wandlung im Brot und im Wein real präsent wird, muss nicht dadurch erschüttert werden, dass eine Mehrheit diesen Glauben in Zweifel zieht.
Der Glaube ist nicht abhängig von statistischen Untersuchungen. Aber klar, wir müssen versuchen, ihn neu plausibel zu machen bzw. auch versuchen, intellektuell zu durchdringen, was dort geschieht, wenn wir Eucharistie feiern.
DOMRADIO.DE: Wie erklären sie einem Nicht-Katholiken, dass eine blasse Oblate und recht durchschnittlicher Messwein zu Fleisch und Blut Christi gewandelt werden.
Tück: Das geht zurück auf das, was uns Jesus selbst im Abendmahlsaal testamentarisch aufgetragen hat. Er hat das Brot genommen, Dank gesagt und dann die Wandlungsworte gesprochen: Dies ist mein Leib für euch. Und er hat das Brot dann, mit dem er sich selbst identifiziert hat, verteilt und den Auftrag gegeben, dass Christinnen und Christen dies in den kommenden Generationen so weiter tradieren.
Das ist der Ursprung der Eucharistiefeier. Der Priester, der die Wandlung zelebriert, spricht nicht in eigenem Namen, sondern er sagt im Namen Jesu Christi, dies ist mein Leib. Wenn man davon ausgeht, dass diese Wandlungsworte wirklichkeitsverändernde Kraft haben, dann darf man auch davon ausgehen, dass in diesem verwandelten Brot Jesus Christus selber verborgen gegenwärtig ist.
Der katholische Glaube unterscheidet sich hier auch von manch anderen Erklärungsweisen, die sagen, wir sind es, die zusammenkommen und indem wir uns gemeinsam erinnern, konstituieren wir das Gedächtnis Jesu, und insofern wird er präsent. Nein, so ist es im katholischen Verständnis nicht. Da ist es so, dass Jesus Christus selbst seine Gegenwart gewährt. Die Gegenwart ist also nicht Produkt einer Erinnerungsleistung von uns, sondern sie ist Gabe des erhöhten Christus selbst. Und diese Gegenwart, die quasi in diesem verwandelten Brot ist, ruft uns in die Präsenz, holt uns aus unserer Zerstreuung heraus und kann so auch verwandelnden Effekt haben, der das Leben verändert.
DOMRADIO.DE: Zur Eucharistie gehört aber noch viel mehr als nur die Konzentration auf die Wandlung von Brot und Wein. Viele sagen, dass es die Schuld des Theologen Thomas von Aquin sei, der sich intensiv mit dem Eucharistieverständnis auseinandergesetzt hat, dass die Eucharistie so einseitig auf die Wandlung und die Realpräsenz von Jesus reduziert werde?
Tück: Einerseits hat Thomas von Aquin sehr wohl über die Realpräsenz nachgedacht und die Lehre der Transsubstantiation, also einen bestimmten Erklärungstyp der Wandlung, vertreten, aber er hat zugleich gesagt, dass Eucharistiefeiern immer auch mit Gemeinschaft zu tun haben, immer auch mit Erinnerung zu tun haben und einen Verheißungsvermerk haben, der auf das himmlische Hochzeitsmal verweist. Also, die Eucharistiefeier selbst ist nur Vorgeschmack der kommenden Herrlichkeit, und noch nicht alles. Man sollte also bei aller Wichtigkeit der Realpräsenz die Eucharistie nicht darauf reduzieren.
DOMRADIO.DE: Thomas von Aquin hat sich aus der Perspektive der akademischen Theologie der Eucharistie genähert, aber auch aus der Perspektive des Poeten mit seinen eucharistischen Hymnen.
Tück: Thomas war nicht nur Theologe, er war auch Beter und Dichter. Er hat im Auftrag von Papst Urban 1264 die Hymnen für das später sogenannte Fronleichnamsfest geschrieben. Das sind wunderbare poetische Gebilde, in denen eigentlich alle Dimensionen der Eucharistie zum Tragen kommen und in einer gewissen Dankbarkeit und Freude ins dichterische Wort gebracht werden, sodass die Motive Gegenwart, Gabe, Wandlung, Weitergabe, aber auch Gemeinschaft, gemeinsam essen, hier sehr wohl ins Wort gebracht werden.
DOMRADIO.DE: Die Wandlung von Brot und Wein wurde ja im Laufe der Kirchengeschichte nicht immer ganz genau gleich interpretiert. War das auch ein dynamisches Geschehen, indem man die Eucharistie immer anders theologisch gedeutet hat?
Tück: Es gab, grob gesprochen, zwei Typen der Erklärungen. Die einen haben auf den Realismus der Gegenwart Christi Wert gelegt und teilweise auch martialische Äußerungen getätigt, also man würde das Fleisch Christi mit den Zähnen zerkauen, so heißt es dort. Und die anderen haben im Gegenzug auf symbolische Erklärungen gesetzt. Also das sind die Zeichen für die Gegenwart Jesu Christi.
Die katholische Lehre von der Transsubstantiation versucht einen Mittelweg zu gehen, indem sie sagt, die Gestalten von Brot und Wein bleiben empirisch, also physisch dieselben. Also wir sehen und nehmen dasselbe wahr, was auch vor der Wandlung zu sehen ist. Nur die Substanz wandelt sich. Die Substanz war im Mittelalter ein Begriff, der sich auf eine Wirklichkeit bezieht, die mit den Sinnen gerade nicht wahrnehmbar wird, also eine Wirklichkeit hinter der wahrnehmbaren Wirklichkeit. Wenn der Priester sagt, dies ist mein Leib, wird aus Brot und Wein in dem Augenblick die Substanz: Leib und Blut Jesu Christi.
Das ist eben nicht ein mit den Sinnen empirisch nachweisbares Geschehen, sondern der Glaube ist hier erfragt. Der Glaube nimmt eben die Worte, die der Priester spricht, als performative Worte, also als Worte ernst, zu denen auch ein tatsächliches Geschehen gehört. Also es geschieht das, was hier ausgesagt wird.
DOMRADIO.DE: Theologisches Denken und spirituelle Praxis ergänzen sich hier. Inwiefern?
Tück: Wer mit Christus kommuniziert, also wer zur Kommunion geht, sollte das auch im Lebensstil deutlich werden lassen. Das heißt, die Hingabe Jesu für uns sollte auch in einer achtsamen, die Nöte anderer wahrnehmenden Art und Weise ihren Ausdruck finden. Das heißt, kommunizieren ist immer auch ein Impuls der Erinnerung, die Nachfolge wirklich ernst zu nehmen.
DOMRADIO.DE: Das sind jetzt sehr komplizierte, fremde Begriffe: Transsubstantiation, Konsekrieren, Eucharistie, Realpräsenz. Wie kann man denn heute die Wandlung wirklich glaubhaft vermitteln?
Tück: Beweisen kann man hier nichts, aber man kann natürlich durch eine sorgfältig gefeierte Liturgie einen Raum schaffen, in dem dieses Ankommen Jesu Christi in Brot und Wein auch wirklich erlebbar und erfahren wird. Wenn das dann auch im Leben entsprechende Folgen findet, also dass die Eucharistiefeier nicht als isoliertes Ereignis stehen bleibt, sondern sich z.B. im Pfarrcafé und in gemeinsamen Aktionen derer, die da feiern, fortsetzt, dann kann das schon auch eine ansprechende Dynamik entfalten.
DOMRADIO.DE: Brot und Wein sind hier nicht einfach nur eine Mahlzeit, sondern haben einen Sinnüberschuss.
Tück: Auf jeden Fall. Allein, wenn wir Brot und Wein genau betrachten. Schon das eine Brot wird aus vielen Körnern gewonnen und der Wein aus vielen Trauben, die gekeltert werden. In der Symbolik der Materie steckt schon die Gemeinschaft drin. Wir sind nie isoliert, wenn wir kommunizieren, sondern Teil einer Gemeinschaft, was ja auch was Tröstliches haben kann.
Und zugleich gibt es in der Eucharistie einen Sinnüberschuss, der auf die Vollendung vorverweist. Der Autor Peter Handke hat einmal sehr schön davon gesprochen, dass es in der Eucharistie auch darum gehe, sich "hinüber-mahl-zu-zeiten", wie er poetisch sagt, auf Christus hin, den wir hier nur verborgen im Zeichen wahrnehmen. Aber das Zeichen hat ein Versprechen in sich, dass das Bezeichnete oder besser noch der Bezeichnete auch künftig von Angesicht zu Angesichts erfahrbar wird. Und das Bild des himmlischen Hochzeitsmahls, ein Bild der innigsten Gemeinschaft, ist eben hier ein Bild, das diesen Verheißungsüberschuss sehr schön zum Ausdruck bringt.
DOMRADIO.DE: Wandlung steht also für viel mehr als die Verwandlung, die natürlich dazugehört. Wandlung steht auch für das Gemeinsame, für die Gemeinschaft und steht auch für eine Wegzehrung für uns, die wir uns auf den Weg machen.
Tück: Man kann auch mit dem katholischen Theologen Joseph Wohlmuth sagen, die verwandelten Gaben sind Gabe der Wandlung, die Gemeinschaft stiftet und eben diesen Wegcharakter mit anzeigt, der am Ende in die himmlische Polis (die himmlische Stadt) einmündet, wenn denn alles gut geht.
Das Interview führte Johannes Schröer.