Gastkommentar zum Corona-Konsistorium

"Die spinnen, die Römer!"

Kein Abstand, kaum Masken, dafür gemeinschaftliches Singen: MIt dem Besuch der neuen Kardinäle beim emeritierten Papst Benedikt XVI. wurden einige Corona-Regeln gebrochen. Der Vatikanexperte Ulrich Nersinger ist empört.

Neue Kardinäle bei Benedikt XVI. / © Romano Siciliani (KNA)
Neue Kardinäle bei Benedikt XVI. / © Romano Siciliani ( KNA )

Es passiert wohl sehr selten, dass einem aus Anlass eines Ereignisses in der Vatikanstadt ein berühmter Auspruch in den Sinn kommt, der aus der fiktiven Welt eines Asterix und Obelix stammt. Doch am Samstag war es soweit: "Delirant isti Romani – Die spinnen, die Römer!" Und es scheint sogar, dass das Zitat in mehrfacher Weise zutrifft.

Was für ein beklemmender Anblick, mit einem Konsistorium in Zeiten der Pandemie konfrontiert zu werden – einer Kardinalskreierung der Masken und (begrenzten) Distanz! Und was für eine verpasste Chance, einen jahrtausendealten, traditionsreichen Brauch online in eine moderne, aktuell verständliche Version zu packen und zu präsentieren. Die virtuelle Erhebung zweier Purpurträger aus Übersee, die nicht nach Rom kommen konnten, verlief eher nebenbei, ja fast verschämt.

Besuch beim 93-jährigen Emeritus

Aber was dann alles toppte, war der Besuch des Heiligen Vaters mit den Neo-Kardinälen beim deutschen Ex-Papst. Eine Visite, geradezu frei von lebenserhaltenden Schutzmasken und mit zahlreichen Berührungs- und Kussaktionen versehen. Vor einiger Zeit haben Franziskus und Benedikt einer Einweihung der Statue des Erzengels Michael als Schutzherrn der Menschen in den Vatikanischen Gärten beigewohnt. Nun aber scheint man dem Würgeengel des Alten Testamentes freien Zugang zur Vatikanstadt zu gewähren.

Vor allem aber ist der mangelnde Vorbildcharakter bedauerlich und fatal. Mehrfach hat der Heilige Vater öffentlich dazu aufgerufen, die staatlich angeordneten und kirchlich empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen peinlich genau zu beachten (wenn er auch selber bei Privataudienzen davon zu dispensieren scheint). Was die Verantwortlichen im Vatikan zu ihren Fehlentscheidungen getrieben hat, bleibt schleierhaft. Die Gründe dafür, können nur – um ein reales Zitat aus der griechischen Antike zu entnehmen –  "in den Knien der Götter" liegen.

Es bleibt zu wiederholen: "Delirant isti Romani - Die spinnen, die Römer!"

Ulrich Nersinger

Zum Autor: Ulrich Nersinger ist Theologe und Journalist. Sein Fachgebiet ist der Vatikan.

Dies ist die Meinung des Autors, nicht unbedingt der DOMRADIO.DE-Redaktion.


Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Papst Franziskus bei Benedikt XVI. / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus bei Benedikt XVI. / © Romano Siciliani ( KNA )

Neue Kardinäle bei Benedikt XVI. / © Romano Siciliani (KNA)
Neue Kardinäle bei Benedikt XVI. / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR