Der Sozialethiker Ockenfels kritisiert die China-Reise Nicolas Sarkozys

"Bärendienst für die Menschenrechte"

Auch Nicolas Sarkozy dachte an den Dalai Lama. Bei seinem China-Besuch soll er sich für die kulturelle und religiöse Autonomie Tibets eingesetzt haben. Und sonst? Konnte Frankreichs Staatspräsident Milliardenaufträge für die heimische Wirtschaft verbuchen. Nicolas Sarkozy - der lachende Dritte nach Angela Merkels Streit China um ihren Empfang des Dalai Lama? Genau daran glaubt der Sozialethiker und katholische Geistliche Prof. Wolfgang Ockenfels. Im domradio kritisiert er Frankreichs Außenpolitik als kurzfristig. "Sarkozy hat den Menschenrechten einen Bärendienst erwiesen."

 (DR)

"Auf Dauer wird sich das nicht auszahlen"
Nach dem Konflikt zwischen der deutschen Regierung und Peking habe Sarkozy als "lachender Dritter in die Bresche springen" wollen, so Ockenfels. "Er merkt gar nicht, dass er damit den Menschenrechten, auf die Frankreich sonst so stolz ist, einen Bärendienst erweist und dabei auch noch die europäische Solidarität untergräbt. Auf Dauer wird sich das nicht auszahlen."

Dass Sarkozy die für Menschenrechte zuständige Ministerin Rama Yade erst gar nicht zu der Reise nach China mitgenommen hat, hält Ockenfels für bezeichnend. "Er versucht sich einzuschmeicheln, um dem chinesischen Regime keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. Das hat nichts mit einer nüchternen Interessenpolitik zu tun." Sarkozy betreibe eine sehr "kurzfristige Politik", so Ockenfels. Irgendwann werde es auch in China politische Umbrüche geben. Und auch China agiere kurzfristig, sollte es Deutschland wirtschaftlich benachteiligen. "Geschäftliche sollten unabhängig von politischen Interessen verlaufen." Deutschland müsse das Recht haben, auf Defizite bei den Menschenrechten hinweisen zu dürfen.

Man könne mit einem totalitären Regime auf Dauer nur gute Verhältnisse pflegen, wenn sich dort "elementare Menschenrechte" durchsetzten. "Man sieht allzu häufig darüber hinweg -  aus reinem Opportunismus, aus reinem Gewinn- und National-Interesse.  Natürlich handelt es sich mit China um eine Marktwirtschaft, mit der man Handel betreiben sollte. Aber politisch ist es nun mal eine Diktatur, die sehr viele freiheitliche Elemente unterdrückt: Es gibt weder Presse-, Meinungs-, noch Religionsfreiheit. Man darf China deshalb nicht boykottieren. Aber man muss - und das hat Angela Merkel sehr gut gemacht, indem sie den Dalai Lama empfangen hat - auf diese Defizite hinweisen."

Der Dalai Lama kämpft weiter für Autonomie Tibets
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor zwei Monaten das geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, offiziell empfangen. China hatte aus Verärgerung über Merkels Empfang in Berlin mehrere Treffen mit deutscher Beteiligung abgesagt, darunter den für Dezember geplanten deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog.

Die Volksrepublik wirft dem religiösen Oberhaupt der Tibeter vor, eine Abspaltung Tibets anzustreben, das seit dem Einmarsch der chinesischen Armee 1950 von Peking regiert wird. Der Dalai Lama kämpft für eine weitgehende Autonomie der Region. Er war in den vergangenen Monaten auch mit US-Präsident George W. Bush, dem kanadischen Premierminister Stephen Harper und Australiens Regierungschef John Howard zusammengetroffen.

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