Türkei: Orthodoxe Christen klagen in Straßburg

Christliche Kirche enteignet

Die orthodoxen Christen in der Türkei wehren sich gegen die Beschlagnahme eines wertvollen Grundstücks durch die türkischen Behörden. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg fand am Dienstag dazu eine Anhörung statt. Der Kläger, das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, berief sich unter anderem auf sein Recht auf Schutz des Eigentums.
Das Urteil werde frühestens 2008 oder 2009 ergehen, sagte eine Sprecherin des Gerichts.

 (DR)

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat am Dienstag über eine Klage des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel gegen die staatlichen Enteignungen der Kirche in der Türkei verhandelt. Das Patriarchat fordert vom türkischen Staat die Rückgabe eines Waisenhauses, das die Behörden 1996 beschlagnahmt hatten. Christlichen Gemeinden in der Türkei verfolgen das Verfahren mit Spannung, weil sie es als Präzedenzfall für zahlreiche weitere staatliche Enteignungen christlichen Besitzes sehen.

Bei der Klage geht es um eine Liegenschaft auf der Insel Büyükada im Marmara-Meer vor Istanbul, die das orthodoxe Patriarchat im Jahr 1902 vom osmanischen Staat erworben hatte. Das Gebäude auf dem Grundstück, das im 19. Jahrhundert als Hotel diente, nutzte die Kirche über Jahrzehnte als Waisenhaus, bis es 1963 bei einem Großbrand geräumt werden musste. Weil die Behörden dem Patriarchat die Genehmigung zur Instandsetzung verweigerten, konnte die Kirche das Gebäude nach dem Feuer nicht mehr nutzen. 1996 beschlagnahmte der Staat die Liegenschaft mit der Begründung, dass sie nicht mehr für den ursprünglichen Zweck genutzt werde.

Alle Klagen des Patriarchats vor türkischen Gerichten blieben ergebnislos. Vor drei Jahren unterlag die Kirche in letzter Instanz vor dem Obersten Berufungsgericht der Türkei. Das Gericht berief sich dabei nach Angaben des Patriarchats auf ein Regierungsdekret von 1974, das die religiösen Minderheiten als Gefahr für die nationale Sicherheit charakterisiert.

"Rechte verletzt" gegen "Rechte verwirkt"
In ihrer Beschwerde vor dem Straßburger Menschenrechtsgericht macht die Kirche geltend, dass damit ihre Rechte auf Schutz vor Diskriminierung, auf Schutz des Eigentums und auf ein faires Gerichtsverfahren verletzt worden seien. Ein Vertreter des türkischen Staates vertrat am Dienstag dagegen die Auffassung, dass das Patriarchat seinen Besitzanspruch auf die Immobilie verwirkt habe, als es das Gebäude einer inzwischen aufgelösten Stiftung übertrug, die das Waisenhaus betrieb.

Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel äußerte sich vor der Verhandlung pessimistisch über die praktischen Erfolgsaussichten. "Wir sind zwar zuversichtlich, dass das Gericht ein positives Urteil fällen wird", sagte Patriarchats-Sprecher Dositheos Anagnostopoulos: "Die Frage ist aber, ob das Urteil dann auch umgesetzt wird." Anagnostopoulos verwies darauf, dass auch frühere Urteile des Straßburger Gerichts nicht umgesetzt worden seien.

Immer wieder Streit um Besitztümer
Religionsgemeinschaften haben in der Türkei keine Rechtspersönlichkeit, weshalb es immer wieder zu Streit über Besitztümer, Bauvorhaben und andere Fragen kommt. Im Januar 2007 hatte das Ökumenische Patriarchat einen ersten juristischen Erfolg erzielt: Der Straßburger Gerichtshof hatte entschieden, dass der türkische Staat der Kirche ein 1996 enteignetes Schulgelände zurückgeben müsse.

Die Europäische Union hat die Regierung in Ankara im Zuge der Beitrittsverhandlungen bereits mehrfach aufgefordert, die Rechte religiöser Minderheiten zu stärken.