Planck-Gesellschaft warnt vor Enthusiasmus bei Stammzellenforschung

Neues Stammzellengesetz?

Die Max-Planck-Gesellschaft hat vor Enthusiasmus angesichts der jüngsten Erfolge von Stammzellforschern gewarnt. Zugleich bekräftigte der Präsident der Gesellschaft, Peter Gruss, am Dienstag vor Journalisten in Berlin die Forderung nach einer Novellierung des Stammzellgesetzes von 2002. Er favorisiere die von SPD-Politikern beworbene Verschiebung des Stichtages von 2001 auf 2007. Der Vorschlag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), auf eine Stichtagsregelung generell zu verzichten, habe politisch "überhaupt keine Chance".

 (DR)

Vor einer Woche hatten japanische und amerikanische Forscher Erfolge bei der Reprogrammierung von menschlichen Hautzellen veröffentlicht. Gruss betonte, die Presse sei in der Darstellung der Erkenntnisse dieser Wissenschaftler "deutlich über das Ziel hinausgeschossen".

Die jetzt erstmals gewonnenen induzierten pluripotenten Stammzellen unterschieden sich in rund 1.000 Genen von embryonalen Stammzellen des Menschen. Kurzfristig brächten die neuen Erkenntnisse als größten Gewinn die Möglichkeit, patientenspezifisch solche Zelllinien anzulegen, die ethisch vollkommen unproblematisch seien. Man werde es aber nicht schaffen, über solche Zelllinien unmittelbar auch Therapien zu entwickeln. Er rechne damit, dass mehr als 10 oder 20 Jahre notwendig seien, um aus Körperzellen durch Rückprogrammierung Stammzellen ohne Gefährdung durch Tumorbildung zu entwickeln.

SPD will den Stichtag verschieben
Bislang dürfen deutsche Wissenschaftler nur mit im Ausland hergestellten embryonalen Stammzellen arbeiten, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden. Seit zwei Wochen werben Gruppen von Abgeordneten im Parlament um Unterstützer für drei Anträge:
Vertreter von Grünen und Union wollen die Beibehaltung des jetzigen Gesetzes; eine Gruppe von SPD-Politikern drängt auf eine einmalige Verschiebung des Stichtages auf 2007 und will zudem die Strafandrohung für international tätige deutsche Forscher ändern. Aus der FDP kommt die weitreichende Forderung nach einer weitergehenden Lockerung und einem Wegfall des Stichtages.

Der Streit geht aber quer durch die Bundestagsfraktionen. Die Unions-Forschungspolitiker Ilse Aigner (CSU) und Eberhard Gienger (CDU) nannten die einmalige Verschiebung des Stichtags unter Verweis auf die neuen Forschungserkenntnisse notwendig. Das Ziel sei aber, auf die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen mittelfristig verzichten zu können. Die Forderung stieß auf Widerspruch bei anderen Unionspolitikern, den Grünen und der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD).

Streit quer durch die Fraktionen
Der CDU-Bioethikexperte Hubert Hüppe betonte, wer die Abschaffung oder Verschiebung des Stichtags wolle, könne sich gerade nicht auf die Arbeiten der Forscher in Japan und den USA berufen. Diese hätten die weltweit ältesten verfügbaren embryonalen Stammzellen verwendet, um durch Vergleich mit ihnen die erfolgreiche Reprogrammierung von Hautzellen zu pluripotenten Stammzellen nachzuweisen. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß, der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört, warnte vor einer Änderung des Stammzellgesetzes. Dies würde einen ethischen Dammbruch bedeuten, sagte er auf Anfrage.

Däubler-Gmelin (SPD), die Vorsitzende des Bundestags-Menschenrechtsausschusses ist, forderte zu "Klarheit in Grundsatzfragen" auf. Politiker und interessierte Wissenschafter versuchten seit Jahren, jene Politiker "in die Ecke der vielleicht zwar gutwilligen, aber insgesamt wissenschaftsfeindlichen tumben Toren zu stellen, die sich der willfährigen Nutzung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken verweigerten", erklärte sie.

Die forschungspolitische Sprecherin der Grünen, Priska Hinz, erteilte einer Änderung des Stammzellgesetzes eine strikte Absage. "Wir brauchen keine neuen embryonalen Stammzelllinien. Wir brauchen keine Stichtagsverschiebung", sagte sie und nannte die andauernden Forderungen erstaunlich. Auch sie verwies darauf, dass die Forscher aus Japan und den USA zum Vergleich der reprogrammierten Zellen "wunderbar mit den in Deutschland erlaubten alten embryonalen Stammzelllinien" ausgekommen seien.